Keine erneute Beweisaufnahme im Aufhebungsverfahren über einen Schiedsspruch

Die Beweiswürdigung eines Schiedsgerichts kann im Aufhebungsverfahren nicht durch eine eigene Beweiswürdigung des dann befassten Gerichts ersetzt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit dieser Begründung den Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs in einem Verfahren um Zahlung von Versicherungsleistungen in Höhe von 30 Millionen Euro mit Beschluss vom 26.11.2020 zurückgewiesen.

Streit um Versicherungsansprüche

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag. Dieser sollte die Risiken eines Anteilskaufs der Versicherungsnehmerin absichern. Die Gesamtversicherungssumme von 270 Millionen Euro war durch eine Mehrheit von Versicherern gedeckt. Die Antragsgegnerin wurde über 30 Millionen Euro in Anspruch genommen, für die sie als erste Versicherung haftete. Die übrigen Versicherungen sind dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten beigetreten. Ein Jahr nach dem Anteilskauf wurde bekannt, dass Finanzdaten einer Tochtergesellschaft, die unter anderem Gegenstand der Transaktion gewesen war, durch Mitglieder des lokalen chinesischen Managements gefälscht worden waren. Dies führte zur Insolvenz ihrer deutschen Holdinggesellschaft. Die Antragsgegnerin wies deshalb von der Versicherungsnehmerin erhobene Versicherungsansprüche ab.

Klage vor dem Schiedsgericht erfolglos

Die Antragstellerin klagte nachfolgend vor dem Schiedsgericht auf Zahlung von 30 Millionen Euro. Das Schiedsgericht wies die Klage ab. Zur Begründung stellte es unter anderem darauf ab, dass das Verhalten der Mitglieder des chinesischen Managements einer als Haftungsausschluss aufzufassenden vertraglichen Klausel unterfalle.

OLG hebt Schiedsspruch nicht auf

Der daraufhin beim OLG eingereichte Antrag auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs hatte keinen Erfolg. Das OLG betonte zunächst, dass ein Schiedsspruch nur aufgehoben werden könne, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 ZPO). Ein solcher Verstoß gegen den ordre public sei hier nicht feststellbar.

Verbot der révision au fond - Keine erneute Beweiswürdigung durch das OLG

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin habe das Schiedsgericht sie nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Schiedsgericht habe insbesondere die Bekundungen der vernommenen Zeugen in seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts könne im Aufhebungsverfahren von einem staatlichen Gericht wegen des sogenannten Verbots einer révision au fond nicht durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzt werden. Dies würde selbst dann noch gelten, wenn die Beweiswürdigung erkennbar falsch wäre. Erst wenn der Schiedsspruch "mit elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen nicht vereinbar" sei, komme eine Aufhebung in Betracht. Im Übrigen habe die Antragstellerin auch nicht einzelne Zeugenaussagen zum Kern des eigenen Vortrags erheben dürfen. Dabei würde es sich nach Ansicht des OLG um einen "dogmatischen Kunstgriff" handeln, der das Verbot der révision au fond letztlich umgehen und aushöhlen würde.

Schiedsgericht hat Behauptungen der Antragstellerin ausreichend gewürdigt

Das Schiedsgericht habe sich mit der Behauptung der Antragstellerin, die Parteien hätten mit der streitgegenständlichen Klausel des Versicherungsvertrages trotz seines Wortlautes nicht etwa einen Deckungsausschluss, sondern vielmehr eine Absicherung des Rückgriffs der Antragsgegnerin gegenüber Dritten regeln wollen, intensiv auseinandergesetzt. Soweit die Antragstellerin etwaige Fehler in der Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts rüge, rechtfertige auch dies eine Aufhebung nicht. Die Parteien hätten gerade dem Schiedsgericht und nicht dem staatlichen Gericht die Anwendung der von den Parteien bestimmten Rechtsregeln übertragen.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26.11.2020 - 26 Sch 14/20

Redaktion beck-aktuell, 27. November 2020.