Plattformhaftung: Amazon treffen erweiterte Prüfpflichten bei Verstößen gegen Marktverhaltensregeln

Marktplatzbetreiber wie Amazon, die auf Verstöße gegen formale Marktverhaltensregeln von Drittanbietern hingewiesen werden, müssen weitere Angebote auf gleichartige Verstöße prüfen und gegebenenfalls beseitigen. Dies hat das OLG Frankfurt a.M. in einem Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale entschieden.

Die Wettbewerbszentrale hatte Amazon auf Rechtsverstöße gegen den absoluten EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte im üblichen Notice & Take Down-Verfahren hingewiesen. Amazon hatte die gemeldeten Angebote daraufhin entfernt. Anschließend wurden aber weiterhin vegane Milchersatzprodukte mit denselben unzulässigen Bezeichnungen ("Sojamilch", "Hafermilch" und "Reismilch") auf dem Marketplace angeboten.

Weil Amazon sich weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben, klagte die Wettbewerbszentrale. Das LG Frankfurt a.M. (Urteil vom 02.09.2022 – 3-12 O 42/21) untersagte es Amazon antragsgemäß, Dritten zu ermöglichen, auf seiner Verkaufsplattform die Begriffe "Sojamilch", "Hafermilch" und "Reismilch" für vegane Milchersatzprodukte zu verwenden.

Revision zum BGH zugelassen

Auch das OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 21.12.2023 – 6 U 154/22) sei in diesem Punkt ihrer Auffassung gefolgt, so die Wettbewerbszentrale. Amazon habe seiner wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht genügt. Die Prüf- und Erfolgsabwendungspflicht des Marktplatzbetreibers bestehe nicht nur bei jugendgefährdenden, volksverhetzenden oder gewaltverherrlichenden Inhalten, sondern auch bei Verstößen gegen formale Marktverhaltensregeln, wie hier dem EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte. Die vorgerichtlichen Hinweise der Wettbewerbszentrale hätten für Amazon eine Prüfungs- und Beseitigungspflicht ausgelöst, die über die bereits getroffenen Maßnahmen hinausgehe. Insoweit sei Amazon zuzumuten, Wörter wie "Sojamilch", "Hafermilch" und "Reismilch" aus Angeboten Dritter herauszufiltern.

"Die Wettbewerbszentrale sieht sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass Plattformbetreiber, die auf wettbewerbsrechtlich unzulässige Angebote von Drittanbietern hingewiesen worden sind, auch weitere Angebote auf gleichartige Verstöße prüfen und diese gegebenenfalls beseitigen müssen", sagte Alexander Strobel, zuständiger Referent bei der Wettbewerbszentrale. Diese Pflicht könne zum Schutz des Wettbewerbs nicht auf Fälle besonders gravierender Rechtsgutverletzungen beschränkt werden. Eine ansonsten eintretende "Hase-Igel-Konstellation" wäre einem lauteren Wettbewerb abträglich, betonte er. Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.12.2023 - 6 U 154/22

Redaktion beck-aktuell, ew, 17. Januar 2024.

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