Nut­zungs­vor­teil in Ab­gas­fäl­len ist kon­kret zu er­mit­teln
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Der in Ab­gas­fäl­len auf den Scha­dens­er­satz­an­spruch be­trof­fe­ner Käu­fer an­zu­rech­nen­de Nut­zungs­vor­teil ist an­hand des kon­kret er­lit­te­nen Wert­ver­lus­tes zu er­mit­teln. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main ent­schie­den. Eine Schät­zung an­hand einer li­nea­ren Teil­wert­ab­schrei­bung bilde die kon­kre­te Wert­ent­wick­lung nur un­zu­rei­chend ab und könne dazu füh­ren, dass der Ge­schä­dig­te an dem Scha­dens­fall "ver­dient".

Scha­dens­er­satz in Ab­gas­fall be­gehrt

Der Klä­ger kauf­te 2011 einen neuen VW Tou­ran für 34.700 Euro mit einem Die­sel­mo­tor des Typs EA 189. Er be­gehr­te von VW aus §§ 826, 31 BGB Scha­dens­er­satz in Höhe des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses Zug um Zug gegen Über­eig­nung und Über­ga­be des Fahr­zeugs. Das Land­ge­richt wies die Klage ab. Da­ge­gen legte der Klä­ger Be­ru­fung ein.

OLG: Klä­ger muss sich Nut­zungs­vor­teil an­rech­nen las­sen

Die Be­ru­fung hatte teil­wei­se Er­folg. Der Klä­ger könne - wie auch höchst­rich­ter­lich be­reits mehr­fach aus­ge­spro­chen – von der Be­klag­ten grund­sätz­lich Scha­dens­er­satz wegen einer vor­sätz­li­chen sit­ten­wid­ri­gen Schä­di­gung ver­lan­gen. Er müsse sich aber auf den Kauf­preis­er­stat­tungs­an­spruch die von ihm ge­zo­ge­nen Fahr­zeug­nut­zun­gen an­rech­nen las­sen. Die­ser Nut­zungs­vor­teil be­mes­se sich nach dem Wert­ver­lust, den das Fahr­zeug wäh­rend der Nut­zungs­zeit er­lit­ten habe. Die Schät­zung die­ses Wert­ver­lus­tes könne zwar nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung im Weg einer li­nea­ren Teil­wert­ab­schrei­bung er­fol­gen, wo­nach der Brut­to­kauf­preis des Fahr­zeugs durch die vor­aus­sicht­li­che Rest­lauf­leis­tung im Er­werbs­zeit­punkt ge­teilt und die­ser Wert mit den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter mul­ti­pli­ziert werde.

Lauf­leis­tung darf nicht al­lein ent­schei­dend sein

Vor­zugs­wür­dig sei je­doch eine ge­ge­be­nen­falls sach­ver­stän­dig vor­ge­nom­me­ne Schät­zung des Nut­zungs­vor­teils an­hand des kon­kret er­lit­te­nen Wert­ver­lus­tes. Denn die Scha­dens­schät­zung auf der Grund­la­ge der An­nah­me eines li­nea­ren Wert­ver­zehrs sei re­gel­mä­ßig nicht in glei­cher Weise ge­eig­net, den Nut­zungs­vor­teil mit der­sel­ben Ge­nau­ig­keit ab­zu­bil­den. Ins­be­son­de­re bei Fahr­zeu­gen mit einer sehr ge­rin­gen Lauf­leis­tung könne es bei An­wen­dung der aus­schlie­ß­lich lauf­leis­tungs­be­zo­ge­nen For­mel dazu kom­men, dass der Ge­schä­dig­te an dem Scha­dens­fall "ver­dient". Es sei ge­richts­be­kannt, dass ge­nutz­te Fahr­zeu­ge in den ers­ten Jah­ren nach der Erst­zu­las­sung einen un­ver­hält­nis­mä­ßig hohen Wert­ver­lust er­lit­ten. Werde al­lein auf die zu­rück­ge­leg­te Fahrt­stre­cke ab­ge­stellt, müsse sich der Ge­schä­dig­te je­doch nur einen auf der An­nah­me eines li­nea­ren Wert­ver­lus­tes be­ru­hen­den Nut­zungs­vor­teil an­rech­nen las­sen. Der so er­mit­tel­te Nut­zungs­vor­teil sei ge­rin­ger als die Dif­fe­renz zwi­schen tat­säch­li­chem Brut­to­kauf­preis und Fahr­zeug­wert, so­dass dem Ge­schä­dig­ten ein auf dem Scha­dens­er­eig­nis be­ru­hen­der un­ge­recht­fer­tig­ter Vor­teil ver­blie­be.

Klä­ger würde sonst rund 17.000 Euro "Ge­winn" ma­chen

So liege der Fall auch hier. Der sach­ver­stän­dig be­rech­ne­te kon­kre­te Nut­zungs­vor­teil be­tra­ge 22.250 Euro, so­dass die Be­klag­te zur Zah­lung von 12.450 Euro zu ver­ur­tei­len sei. Bei An­satz eines li­ne­ar be­rech­ne­ten Nut­zungs­vor­teils er­gä­be sich da­ge­gen ein Nut­zungs­vor­teil nur in Höhe von 5.233,68 Euro, so­dass dem Klä­ger knapp 29.500 Euro zu­ge­spro­chen wür­den. Über die li­nea­re Be­rech­nungs­me­tho­de ver­blie­be damit beim Klä­ger ein "Ge­winn" von 17.016,32 Euro. Eine sol­che Über­kom­pen­sa­ti­on sei nach all­ge­mei­nen scha­dens­recht­li­chen Grund­sät­zen nicht zu recht­fer­ti­gen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.04.2021 - 17 U 477/19

Redaktion beck-aktuell, 3. Mai 2021.

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