Geklagt hatte die 100-prozentige Tochter eines iranischen Unternehmens. Sie hatte im Mai 2018 bei dem EU-Unternehmen Graphitelektroden bestellt, die unmittelbar an die Muttergesellschaft in den Iran geliefert werden sollten. Dabei verpflichtete sie sich zur Vorauszahlung vor der jeweiligen Lieferung.
Im Mai 2018 kündigten die USA an, sich aus dem sogenannten Iran-Abkommen zurückzuziehen und bis zum 5. November 2018 ihre Iran-Sanktionen wiedereinzuführen. Im August 2018 verpflichtete sich das klagende Unternehmen in einer Zusatzvereinbarung mit ihrer Geschäftspartnerin zur weiteren Vorauszahlung des Kaufpreises und leistete knapp 47 Millionen Euro. Das beklagte Unternehmen lieferte im Gegenzug Waren im Wert von gut elf Millionen Euro. Im Oktober 2018 wurde die Muttergesellschaft der klagenden Firma auf die Specially Designated Nationals and Blocked Persons List (SDN-Liste) gesetzt und mit sogenannten Sekundärsanktionen belegt.
Nachfolgend kündigte das beklagte Unternehmen zunächst einen vorübergehenden Lieferstopp unter Verweis auf die politische Situation im Iran an und verweigerte schließlich unter Verweis auf die SDN-Listung der Muttergesellschaft die weitere Lieferung und die Rückzahlung der Vorauszahlungen. Das LG verurteilte das EU-Unternehmen zur Zahlung von knapp 36 Millionen Euro und stellte die Schadensersatzpflicht fest.
EU-Unternehmen kann Rückzahlung nicht verweigern
Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.01.2024 – 17 U 90/22). Das Tochterunternehmen sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Ihm habe im Hinblick auf die von dem EU-Unternehmen verweigerte weitere Lieferung der Graphitelektroden ein Rücktrittsrecht zur Seite gestanden. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei auch zu erwarten gewesen, dass es sich nicht lediglich um eine kurze, hinzunehmende Zeitspanne handeln würde.
Dem EU-Unternehmen stehe gegen den Rückzahlungsanspruch auch kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses könne sie insbesondere nicht mit Erfolg aus den vertraglichen Regelungen herleiten. Eine derartige Auslegung der vertraglichen Klauseln verstieße gegen ein gesetzliches Verbot, hier Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-Verordnung. Dieser verbiete es einer im Unionsgebiet eingetragenen juristischen Personen, die im Anhang der Verordnung aufgeführten ausländischen Sanktionsnormen zu befolgen, so das Gericht. Hierunter fielen US-amerikanische gesetzliche Regelungen im Rahmen der Iran-Sanktionen, welche die wissentliche erhebliche finanzielle und/oder materielle Unterstützung einer SDN-gelisteten iranischen Person verbieten.