Schadensersatz für zerstörten Baum: Es kann auch teuer werden

Wer einen 70 Jahre alten Baum eines Nachbarn zerstört, muss Schadensersatz leisten. Ob er dabei relativ günstig wegkommt oder den Wert eines Mittelklassewagens einkalkulieren muss, hängt auch vom Baum ab. Das OLG Frankfurt am Main macht die Entscheidung unter anderem davon abhängig, welche Funktion der Baum für das Grundstück hatte.

Eine Frau besitzt ein großes Grundstück mit rund 70 Jahre alten Bäumen. Im hinteren Bereich ihres Gartens stehen zwei alte Bäume: eine Birke und ein Kirschbaum. Dort grenzt ihr Grundstück an das eines Mannes. Diesem hatte sie erlaubt, die auf sein Grundstück ragenden Äste der Bäume zurückzuschneiden. Der Mann schoss über das Ziel hinaus: Er betrat den nachbarlichen Garten und führte gravierende Schnittarbeiten durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt und der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob die Bäume das überleben werden, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Gartenbesitzerin begehrt Ersatz ihres Schadens, den sie mit knapp 35.000 Euro beziffert. Das LG Frankfurt a.M. gestand ihr gut 4.000 Euro zu. Zu ersetzen seien die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts. Der Geschädigten ist das zu wenig. Sie legte Berufung ein. Vorerst mit Erfolg: Das OLG hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück (Urteil vom 06.02.2024 – 9 U 35/23, nicht rechtskräftig). Das LG muss jetzt den Sachverhalt weiter aufklären, um dann noch einmal über die Höhe des Schadensersatzes zu entscheiden.

Nach gefestigter Rechtsprechung sei bei der Zerstörung eines Baumes in der Regel der Schadensersatz nicht in Form von Naturalrestitution zu leisten, erläutert das OLG. Denn die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes sei regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Der Schadensersatz richte sich daher üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die zu schätzende Werteinbuße des Grundstücks.

Ausnahmsweise könnten aber auch die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen sein, gab das OLG der Vorinstanz mit auf den Weg, "wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden". Das muss nun das LG klären und dabei berücksichtigen, welche Funktion die Bäume für das konkrete Grundstück hatten. Mit einbeziehen muss es auch den Vortrag der Garteninhaberin, ihr sei es bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 06.02.2024 - 9 U 35/23

Redaktion beck-aktuell, bw, 7. März 2024.