OLG Frank­furt am Main: You­Tube und Goog­le müs­sen nach Ur­he­ber­rechts­ver­stoß E-Mail-Adres­se ver­däch­ti­ger Nut­zer mit­tei­len

You­Tube und Goog­le müs­sen im Fall einer Ur­he­ber­rechts­ver­let­zung die E-Mail-Adres­se ihrer die­ser Ver­let­zung zu­ge­ord­ne­ten Nut­zer be­kannt­ge­ben. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main ent­schie­den und zu­gleich fest­ge­stellt, dass über die Te­le­fon­num­mer und die zu­ge­wie­se­ne IP-Adres­se keine Aus­kunft zu er­tei­len ist (Ur­teil vom 22.08.2017, Az.: 11 U 71/16).

Film­ver­wer­te­rin be­gehrt Aus­kunft

Die Klä­ge­rin ist eine deut­sche Film­ver­wer­te­rin. Sie be­sitzt die aus­schlie­ß­li­chen Nut­zungs­rech­te an zwei Fil­men, die von drei ver­schie­de­nen Nut­zern der Platt­form You­Tube öf­fent­lich an­ge­bo­ten und je­weils meh­re­re tau­send Mal ab­ge­ru­fen wur­den. Die Nut­zer han­del­ten unter einem Pseud­onym. Die Klä­ge­rin möch­te diese Nut­zer wegen der Ver­let­zung ihrer Ur­he­ber­rech­te in An­spruch neh­men. Sie hatte des­halb zu­nächst von den be­klag­ten Un­ter­neh­men You­Tube und Goog­le die An­ga­be der Klar­na­men und der Post­an­schrift der Nut­zer be­gehrt. Nach­dem die Be­klag­ten er­klärt hat­ten, dass ihnen diese An­ga­ben nicht vor­lä­gen, ver­folgt sie die­sen An­spruch nicht wei­ter, be­gehrt aber Aus­kunft über die E-Mail-Adres­sen, Te­le­fon­num­mern und die IP-Adres­sen.

OLG gibt Klage in Bezug auf E-Mail-Adres­sen statt

Das Land­ge­richt Frank­furt am Main hatte die Klage mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, dass kein An­spruch auf Be­kannt­ga­be die­ser Daten be­stehe (GRUR-RR 2017, 3). Hier­ge­gen rich­tet sich die Be­ru­fung der Klä­ge­rin. Das OLG hat die Be­klag­ten unter teil­wei­ser Ab­än­de­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils nun ver­pflich­tet, die E-Mail-Adres­sen be­kannt­zu­ge­ben. Die Te­le­fon­num­mern und ma­ß­geb­li­chen IP-Adres­sen müs­sen da­ge­gen auch nach An­sicht des OLG nicht mit­ge­teilt wer­den.

E-Mail-Adres­se fällt unter Be­griff der "An­schrift"

Zur Be­grün­dung führt das OLG aus, die Be­klag­ten hät­ten für die von den Nut­zern be­gan­ge­nen Rechts­ver­let­zun­gen ge­werbs­mä­ßig Dienst­leis­tun­gen (§ 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) zur Ver­fü­gung ge­stellt. Sie seien damit gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG ver­pflich­tet, Aus­kunft über "Namen und An­schrift der Her­stel­ler, Lie­fe­ran­ten und an­de­rer Vor­be­sit­zer der Ver­viel­fäl­ti­gungs­stü­cke (…)" zu er­tei­len. Unter den Be­griff der "An­schrift" falle auch die E-Mail-Adres­se. Den Be­grif­fen "An­schrift" und "Adres­se" komme keine un­ter­schied­li­che Be­deu­tung zu. Dass mit der Be­zeich­nung "An­schrift" im Deut­schen ur­sprüng­lich le­dig­lich die Post­an­schrift ge­meint war, sei his­to­risch be­grün­det, so das OLG. Es gehe al­lein um die An­ga­be des Ortes, an dem man je­man­den "an­schrei­ben" könn­te. Die ge­wähl­te For­mu­lie­rung der "An­schrift" gehe zudem auf das Jahr 1990 zu­rück. Zu die­sem Zeit­punkt habe der E-Mail-Ver­kehr "kaum eine prak­ti­sche Be­deu­tung" ge­habt. Setze man dem­nach "An­schrift" mit "Adres­se" gleich, er­fas­se dies ein­deu­tig auch die E-Mail-Adres­se. Auch hier han­de­le es sich um eine An­ga­be, "wohin man schrei­ben muss, damit das Ge­schrie­be­ne den Emp­fän­ger er­reicht". Nur die­ses Be­griffs­ver­ständ­nis trage den ge­än­der­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­wohn­hei­ten und dem Sie­ges­zug des elek­tro­ni­schen Ge­schäfts­ver­kehrs hin­rei­chend Rech­nung.

Te­le­fon­num­mer und IP-Adres­se nicht von An­schrifts­be­griff um­fasst

Te­le­fon­num­mer und IP-Adres­se seien da­ge­gen nicht vom Aus­kunfts­an­spruch um­fasst. Nach dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch ver­kör­per­ten "An­schrift" ei­ner­seits und "Te­le­fon­num­mer" an­de­rer­seits un­ter­schied­li­che Kon­takt­da­ten. Der von der Klä­ge­rin ein­ge­führ­te Be­griff der "Te­le­fon­an­schrift" sei auch nicht ge­bräuch­lich. Bei IP-Adres­sen han­de­le es sich – trotz des Wort­be­stand­teils "Adres­se" – be­reits des­halb nicht um eine "An­schrift", da der IP-Adres­se kei­ner­lei Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­ti­on zu­kom­me. Sie diene al­lein der Iden­ti­fi­zie­rung des End­ge­rä­tes, von dem aus eine be­stimm­te Web­sei­te auf­ge­ru­fen werde.

Re­vi­si­on wegen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­sen

Das Ur­teil ist nicht rechts­kräf­tig. Das OLG hat wegen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.08.2017 - 11 U 71/16

Redaktion beck-aktuell, 4. September 2017.

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