Verpasster Flug: Entschädigung wegen überlanger Wartezeit vor Sicherheitskontrolle
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Verpasst ein Fluggast infolge überlanger Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens seinen Flug, kann er eine Entschädigung für Ersatzflugkosten verlangen, wenn er sich gemäß den Empfehlungen des Flughafens rechtzeitig beim Check-In eingefunden und von dort ohne erhebliche Verzögerungen die Sicherheitskontrolle aufgesucht hat. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.

Bundesrepublik Deutschland soll für verpassten Flug Entschädigung zahlen

Die Beklagte, die Bundesrepublik Deutschland, organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Kläger wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11.50 Uhr, das Boarding begann um 10.50 Uhr, das Gate schloss um 11.30 Uhr. Nachdem die Kläger die Sicherheitskontrolle passiert und den Flugsteig erreicht hatten, war das Boarding bereits abgeschlossen. Sie verlangten eine Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung. Sie behaupteten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen und es zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen sei. Das Landgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Dagegen legte diese Berufung ein.

OLG: Anspruch auf Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Beklagte habe zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt, so das OLG. Den Klägern stehe aber ein Schadensersatzanspruch über die Grundsätze der Aufopferung beziehungsweise wegen enteignenden Eingriffs zu. Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirke und zu einem Sonderopfer führe, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen. Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst haben. Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen.

Fluggast kann auf zeitliche Empfehlungen des Flughafens vertrauen

Ein Fluggast müsse sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern dürfe sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten, betont das OLG. Die Kläger seien hier rechtzeitig erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden. Die Kläger hätten unstreitig den Check-In bereits um 9.00 Uhr absolviert. Von dort hätten sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10:00 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen. Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10:00 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine dem Senat bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.

Nach Check-In auch keine Zeit vergeudet

Den Klägern könne auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nach dem Check-In zulange verweilt hätten. Der Fußweg sei in circa 15 Minuten zu bewältigen gewesen. Der Flugsteig sei auf den Bordkarten nicht aufgedruckt gewesen und um 9.00 Uhr noch nicht auf den Anzeigetafeln bekannt gegeben worden. Ein erhebliches "Vertrödeln" der verbliebenen Zeit nach dem Check-In sei nicht feststellbar. Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es sei aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen habe. Jedenfalls könne der Zeitraum, soweit er für die Erledigung menschlicher Bedürfnisse benötigt wurde, nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden, so das OLG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei festzustellen, dass sie sich spätestens um 10:00 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle angestellt hätten und damit 90 Minuten vor dem Abflug.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.01.2022 - 1 U 220/20

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2022.

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