OLG Frankfurt am Main: Vergabe der Restabfallentsorgung in Wiesbaden rechtmäßig

Die Ausschreibung der Restabfallentsorgung der Landeshauptstadt Wiesbaden ist nicht zu beanstanden. Weder bei der Bestimmung des Leistungsgegenstandes noch bei der Festlegung der Bewertungsvorgaben sei gegen tragende vergaberechtliche Grundsätze verstoßen worden, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit rechtskräftigem Beschluss vom 29.03.2018 (Az.:11 Verg 16/17). Es bestätigte damit die Entscheidung der Vergabekammer.

Entsorgungsbetriebe schrieben Restabfallentsorgung mit konkreten Ortsanreizen aus

Die Antragsgegnerin, eine Tochtergesellschaft der Wiesbadener Entsorgungsbetriebe, ließ im Rahmen eines europaweiten offenen Vergabeverfahrens die Entsorgung von Haus- und Sperrmüll und von hausmüllähnlichem Gewerbeabfall ausschreiben. Im Hinblick auf eine möglichst umweltschonende Entsorgung wurde Bietern ein Anreiz gegeben, in eine im Stadtgebiet Wiesbaden zu errichtende Restabfallentsorgungsanlage zu investieren. Die Antragstellerin gehört zu einer international auf dem Gebiet der Abfallentsorgung tätigen Unternehmensgruppe.

Internationale Bieterin strengte Nachprüfungsverfahren an

Sie beantragte als Bieterin im Nachprüfungsverfahren feststellen zu lassen, dass die Antragsgegnerin sowohl bei der Bestimmung des Leistungsgegenstandes als auch bei der Festlegung der Bewertungsvorgaben gegen tragende vergaberechtliche Grundsätze verstoßen habe. Ferner rügte sie einen Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot nach § 6 VgV aufgrund persönlicher Verbindungen eines Geschäftsführers der Antragsgegnerin zu einer Unternehmensgruppe, der eine weitere Bieterin angehört. Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag ablehnte, erhob die Antragstellerin sofortige Beschwerde.

OLG: Nachprüfungsantrag bereits teilweise unzulässig

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Entscheidung der Vergabekammer bestätigt. Der Nachprüfungsantrag sei bereits teilweise unzulässig. Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, soweit sie eine unzureichende Gestaltung des Entsorgungsvertrags, eine unterbliebene Losaufteilung sowie eine unzureichende Beschreibung des Leistungsgegenstandes rüge. Diesbezüglich sei eine Verletzung eigener Rechte der bietenden Antragstellerin beziehungsweise ein ihr entstandener oder drohender Schaden nicht dargelegt.

Favorisierung ortsnaher Entsorgungslösungen vorliegend sachgerecht

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig sei, sei er unbegründet. Die Antragsgegnerin habe bei der Bestimmung des Leistungsgegenstandes nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, des Wettbewerbs und der Transparenz verstoßen. Gleiches gelte für die Festlegung der Zuschlagskriterien ebenso wie für deren Gewichtung. Die Favorisierung ortsnaher Entsorgungslösungen sei ein unter ökologischen Gesichtspunkten sachgerechtes Unterscheidungskriterium, weil damit Transport (CO²)-Emissionen vermieden werden können, die beim Weitertransport in weiter entfernte Entsorgungsanlagen entstehen. Die Frage möglicher Überkapazitäten im Rhein-Main-Gebiet durch den Neubau einer Entsorgungsanlage - auch unter dem Gesichtspunkt einer umfassenden Ökobilanz - sei im Vergabeverfahren nicht zu überprüfen, da diese der Prärogative der Gemeinden beziehungsweise der Entscheidungskompetenz der zuständigen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden unterfalle.

Ausschreibung ist nicht von unrealistischen Prognosen ausgegangen

Es obliege dem Bieter, die wirtschaftliche Rentabilität der Anlage zu ermitteln. Die Antragsgegnerin könne und müsse lediglich eine Realisierbarkeitsprognose anstellen, die auf ihre Plausibilität hin überprüft werde. Es sei nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin bei der Ausschreibung von unrealistischen Prognosen ausgegangen sei. Da bei einer “internen Entsorgungslösung“ die bislang auf der Deponie Dyckerhoffbruch genutzte Müllumschlagsanlage entbehrlich werde, sei es sachgerecht, Angebote mit einer im Stadtgebiet Wiesbaden zu errichtenden Entsorgungsanlage nicht mit Umschlagkosten zu belasten.

Kein Verstoß gegen Transparenzgebot oder Mitwirkungsverbot

Die Leistungsbeschreibung verstoße nicht gegen das Transparenzgebot, da sie in steuerrechtlicher sowie in abfallrechtlicher Hinsicht keine unverhältnismäßigen Risiken enthalte; auch seien die Anforderungen an den Nachweis der Eignung nicht unklar beschrieben. Ein Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot nach § 6 VgV liege nicht vor, da vorbereitende Handlungen, wie die hier streitgegenständliche Ausarbeitung der Ausschreibung, nicht von dieser Norm umfasst würden. Insofern spiele es keine Rolle, ob ein etwaiger Interessenkonflikt aufgrund der familiären Verbindungen eines Geschäftsführers der Antragsgegnerin zu Organen von Gesellschaften einer Unternehmensgruppe, der eine weitere Bieterin angehört, bestehen könne.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29.03.2018 - 11 Verg 16/17

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2018.

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