Streit um Ehewohnung
Die Beteiligten - beide querschnittsgelähmt - heirateten 2005 und sind seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Die Ehe blieb kinderlos. Der Antragsteller ist auf Unterstützung bei der An- und Entkleidung sowie beim Toilettengang angewiesen. Seine seit 2018 beschäftigte Pflegekraft ist mittlerweile seine Lebensgefährtin. Die Antragsgegnerin ist ebenfalls, wenn auch nicht im selben Umfang, auf eine Pflegekraft angewiesen. Sie benötigt keine Hilfe beim Toilettengang. Beide stritten um die Überlassung der in ihrem Miteigentum befindlichen Ehewohnung anlässlich ihrer Scheidung. Die Wohnung befindet sich im Elternhaus des Antragstellers. Die 130 Quadratmeter große Wohnung verfügt über ein Wohn- und ein Schlafzimmer, eine Küche, einen Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. Gegenwärtig nutzt der Antragsteller das Schlafzimmer und ein Bad und die Antragsgegnerin das Wohnzimmer und ein Bad. Das Amtsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin, dem Antragsteller die Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Dagegen legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein.
OLG: Antragsteller stärker auf Hilfe angewiesen
Das OLG hat die Entscheidung des AG bestätigt. Ein Ehegatte könne die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung verlangen, wenn er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen sei als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspreche. Dabei seien alle die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Umstände in eine Gesamtabwägung einzustellen. Hier sei der Antragsteller insbesondere wegen der erforderlichen Anwesenheit einer Pflegeperson auf eine größere Wohnung angewiesen als die Antragsgegnerin. Der Pflegebedarf des Antragstellers übersteige den der Antragsgegnerin.
Antragsteller auch im Ort sozial verwurzelt
Der Antragsteller habe zudem bereits vor Einzug der Antragsgegnerin in der Wohnung gewohnt und sei in dem Ort, an dem er seit 1987 lebe, sozial verwurzelt. Sein Bruder wohne ebenfalls im Haus. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Antragsteller eine in seiner Nähe wohnende Lebensgefährten habe. Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Antragsgegnerin, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfüge. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch dem schützenswerten Interesse des Antragstellers, im elterlichen Haus wohnen zu bleiben, erhebliches Gewicht zukomme. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin an der Finanzierung des Wohnungskaufes beteiligt gewesen sei, könne den höheren sozialen Bezug des Antragstellers zur bewohnten Wohnung nicht mindern.