OLG Frank­furt am Main: Re­struk­tu­rie­rungs­be­ra­te­rin der Solon SE haf­tet nicht wegen In­sol­venz­ver­schlep­pung

Be­auf­tragt ein Un­ter­neh­men eine Re­struk­tu­rie­rungs­be­ra­te­rin mit kon­kret um­schrie­be­nen und ab­schlie­ßend zu ver­ste­hen­den Leis­tungs­pflich­ten unter Aus­schluss einer Be­ra­tung in steu­er­li­chen und recht­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten, schul­det diese Be­ra­te­rin dar­über hin­aus nicht auch die Be­ra­tung über eine et­wai­ge In­sol­venz­an­trags­pflicht. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main mit Ur­teil vom 29.03.2019 ent­schie­den und eine Klage des In­sol­venz­ver­wal­ters der Solon SE auf Scha­den­er­satz wegen In­sol­venz­ver­schlep­pung zu­rück­ge­wie­sen (Az.: 8 U 218/17).

Be­klag­te mit Prü­fung fi­nan­zi­el­ler Re­or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­schla­ge­ner So­lar­fir­ma be­auf­tragt

Der Klä­ger ist In­sol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der Solon SE, die sich nach ihrer Grün­dung 1996 zu einem der grö­ß­ten So­lar­mo­dul­pro­du­zen­ten in Eu­ro­pa ent­wi­ckelt hatte. Nach­dem sich ihr Ge­schäfts­mo­dell mit wach­sen­der Kon­kur­renz auf dem So­lar­sek­tor als nicht mehr trag­fä­hig er­wie­sen hatte, kam es zu Sa­nie­rungs­be­mü­hun­gen. Ende 2010 war die Solon als In­sol­venz­schuld­ne­rin rech­ne­risch über­schul­det. An­fang Juli 2011 be­auf­trag­te sie die be­klag­te Re­struk­tu­rie­rungs­be­ra­te­rin, sie hin­sicht­lich einer "fi­nan­zi­el­len Re­or­ga­ni­sa­ti­on" zu be­ra­ten.  Dar­über hin­aus prüf­te eine Un­ter­neh­mens­be­ra­tungs­ge­sell­schaft, ob eine po­si­ti­ve Fort­füh­rungs­pro­gno­se be­stand.

LG wies Mil­lio­nen­kla­ge gegen Re­struk­tu­rie­rungs­be­ra­te­rin ab

Dies be­jah­te die Un­ter­neh­mens­be­ra­tung im Au­gust 2011. Am 13.12.2011 stell­te die In­sol­venz­schuld­ne­rin An­trag auf Er­öff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens. Am 14.12.2012 wurde das vor­läu­fi­ge In­sol­venz­ver­fah­ren er­öff­net. Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te auf Scha­den­er­satz im un­te­ren zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­reich in An­spruch. Sie hätte die In­sol­venz­schuld­ne­rin spä­tes­tens am 11.10.2011 auf die be­stehen­de In­sol­venz­rei­fe hin­wei­sen müs­sen, so die Ar­gu­men­ta­ti­on. Hätte sie dies getan, wäre je­den­falls am 01.11.2011 ein In­sol­venz­an­trag ge­stellt und ein wei­te­rer Scha­den ver­mie­den wor­den. Nach­dem das Land­ge­richt die Klage ab­ge­wie­sen hatte, legte der Klä­ger Be­ru­fung ein.

OLG be­stä­tigt Vor­in­stanz: Keine ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt

Das OLG hat die vor­in­stanz­li­che Ent­schei­dung nun­mehr be­stä­tigt und die Scha­den­er­satz­kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­klag­te habe keine ver­trag­li­chen Pflich­ten im Zu­sam­men­hang mit der ge­schul­de­ten Be­ra­tung ver­letzt. Der Be­ra­tungs­ver­trag lasse über die auf­ge­zähl­ten Leis­tungs­pflich­ten hin­aus nicht er­ken­nen, dass die Be­klag­te auf eine In­sol­venz­an­trags­pflicht habe hin­wei­sen sol­len. Wort­laut und Sys­te­ma­tik des Ver­tra­ges sprä­chen auch dafür, dass diese Auf­zäh­lung ab­schlie­ßend sei. Ge­ra­de die An­zahl und der teil­wei­se ganz er­heb­li­che Um­fang der ge­schul­de­ten Leis­tun­gen be­leg­ten, dass es sich nicht um eine bloß ex­em­pla­ri­sche Auf­zäh­lung ge­han­delt habe.

Et­wai­ge In­sol­venz­an­trags­pflicht von Be­klag­ter nicht zu prü­fen­de Rechts­fra­ge

Wäre eine ab­schlie­ßen­de Auf­zäh­lung fak­tisch nicht mög­lich ge­we­sen, hät­ten die Ver­trags­par­tei­en je­den­falls mit einer ent­spre­chen­den Ge­ne­ral­klau­sel die nö­ti­ge Fle­xi­bi­li­tät des Ver­tra­ges her­stel­len kön­nen, hebt das OLG her­vor. Eine sol­che Klau­sel fehle je­doch. Zudem hätte die Be­klag­te ex­pli­zit weder die Be­sor­gung frem­der Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten noch die Be­ra­tung in steu­er­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten über­nom­men. Auch dies spre­che gegen eine Aus­le­gung des Ver­trags, wo­nach die Be­klag­te auf eine et­wai­ge In­sol­venz­an­trags­pflicht hätte hin­wei­sen müs­sen. Die Prü­fung, wann eine Über­schul­dung vor­lie­ge und ob eine po­si­ti­ve Fort­füh­rungs­pro­gno­se ge­stellt wer­den könne, be­tref­fe ein­deu­tig Rechts­fra­gen. Sie un­ter­fie­len der ver­trag­lich ge­ra­de nicht ge­schul­de­ten Be­sor­gung einer frem­den Rechts­an­ge­le­gen­heit.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.03.2019 - 8 U 218/17

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2019.

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