Pharmahersteller rief verunreinigtes Valsartan zurück
Die Klägerin begehrte Auskunft über die Wirkungen des von der Beklagten hergestellten Medikaments Valsartan AbZ sowie Schmerzensgeld. Die Beklagte arbeitet mit mehreren Wirkstoffherstellern zusammen, die alle den gleichen Wirkstoff Valsartan herstellen. Im Sommer 2018 veranlasste sie einen Chargenrückruf, da bei einer ihrer Wirkstoffhersteller eine produktionsbedingte Verunreinigung mit dem Nitrosamin N-Nitrosodiethylamin festgestellt wurde, das als wahrscheinlich krebserregend bei Menschen eingestuft ist.
Klägerin führte Krebserkrankung auf kontaminierte Chargen zurück
Aus organisatorischen Gründen erfasste der Rückruf alle Packungsgrößen und Chargen, auch wenn von der Verunreinigung nur Chargen betroffen waren, die unter Verwendung des einen Wirkstoffherstellers hergestellt wurden. Die Klägerin behauptete, in der Zeit von 2013 bis Mai 2018 aus den verunreinigten Chargen stammendes Valsartan AbZ eingenommen zu haben und dadurch an Krebs erkrankt zu sein. Das Landgericht wies die Klage ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.
OLG: Beklagte muss Auskunft über Valsartan-Wirkungen erteilen
Das OLG hat die Beklagte zur Auskunft über ihr bekannte Wirkungen und Erkenntnisse verurteilt, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Valsartan von Bedeutung sein können, soweit diese unter anderem Krebserkrankungen betreffen. Die Klägerin habe nachgewiesen, das in Rede stehende Medikament eingenommen zu haben. Es lägen auch Tatsachen vor, welche die Annahme begründeten, dass das Arzneimittel den geltend gemachten Schaden verursacht habe. Eine derartige "begründete Annahme" sei jedenfalls dann zu bejahen, "wenn mehr für eine Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch das Arzneimittel spricht als dagegen". Erforderlich sei eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit".
Sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung ausreichend
Hier habe die Klägerin zwar nicht den Vollbeweis führen können, dass die von ihr eingenommenen Medikamente aus den verunreinigten Chargen stammten. Dies sei jedoch auch nicht erforderlich. Der Nachweis, aus welcher Charge ein verwendetes Medikament stamme, sei dem Durchschnittsverbraucher kaum möglich. Es bestehe keine Obliegenheit des Konsumenten, bei jedem eingenommenen Medikament die auf der Packung aufgedruckte Chargenbezeichnung zu notieren. Jedenfalls wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Patientin tatsächlich ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten habe, sei die für den Auskunftsanspruch erforderliche Annahme der Schadensverursachung gut begründbar. Dies sei hier der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin zumindest einmal ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten habe, liege bei etwa 97%.