Pferd nicht allein wegen Vernarbungen im Maulwinkel mangelhaft

Vernarbungen im Bereich der Maulwinkel eines Pferdes sprechen für sich allein nicht für eine chronische Erkrankung. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden und einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Turnierpferd verneint. Der Befund könne vielmehr jederzeit aufgrund reiterlicher Einwirkung eintreten und lasse damit keinen Rückschluss auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang zu.

Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

Der Beklagte betreibt einen Zucht- und Ausbildungsstall für Reitpferde. Dort kaufte die Klägerin im Januar 2015 einen Hengst für 65.000 EUR. Sie hatte das ärztlich untersuchte Pferd zuvor besichtigt und reiterlich erprobt. Im April 2015 konsultierte die Klägerin eine Tierärztin wegen Problemen mit der sogenannten Anlehnung des Hengstes beim Beritt. Diese diagnostizierte einen offenen rechten Maulwinkel sowie ein Überbein der linken Lade. Zwei Jahre später brachte die Klägerin das Pferd dem Beklagten in Kommission zurück. Im Oktober 2017 trat sie vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin behauptet, das Pferd habe bereits bei Übergabe ein Überbein der Lade sowie Vernarbungen in der Mundhöhle gehabt. Diese Vorerkrankungen seien der Grund für die Probleme bei der Anlehnung. Das Landgericht wies die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz gerichtete Klage ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

OLG: Keine Beschaffenheitsvereinbarung

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe nicht mangelhaft gewesen, entschied auch das OLG. Die Parteien hätten keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung etwa hinsichtlich der "Rittigkeit" oder der Geeignetheit für eine bestimmte Turnierklasse vereinbart. Schriftlich liege keine entsprechende Vereinbarung vor. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte das Pferd mit sportlichen Perspektiven angepriesen habe, lasse sich nicht ableiten, dass er die Gewähr dafür übernehmen wollte, dass sich diese Perspektiven realisieren. Es liege in der Natur der Sache, dass Entwicklungsprognosen beim lebendigen Tier unsicher und letztlich spekulativ sind und der Verkäufer ohne ausdrückliche Absprache hierfür keine Gewähr übernimmt.

Mangels Krankheit auch keine Abweichung von üblicher Beschaffenheit

Es sei auch nicht feststellbar, dass sich das Pferd bei Gefahrübergang für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet hat. Das Pferd sei ein Dressurpferd gewesen und sollte bei Turnieren zum Einsatz kommen. Weitergehende Absprachen seien nicht getroffen worden. Der Verkäufer habe deshalb - lediglich - dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank sei oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig erkranke. Unter einem krankhaften Zustand sei eine "klinische Erscheinung" zu verstehen. Nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre dagegen, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Tiere unterlägen als Lebewesen einer ständigen Entwicklung und seien mit individuellen Anlagen ausgestattet. Bloße Widersetzlichkeiten ("Rittigkeitsmängel") stellten daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar. Das Pferd sei hier weder krank noch aus anderen Gründen als Reit- und Dressurpferd schlechthin ungeeignet gewesen. Probleme mit der Anlehnung des Pferdes allein stellten keinen Mangel dar, da sie auch auf natürlichen Ursachen beruhen könnten.

Spätere Befunde nicht bei Gefahrübergang vorhanden

Die später festgestellten Befunde in Form offener Mundwinkel, knöcherner Veränderungen an der linken Lade und einer Hautläsion im Bereich des Unterkiefers könnten zwar als Mangelerscheinungen angesehen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei jedoch davon auszugehen, dass diese Umstände noch nicht zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden gewesen seien. Das Tier sei am Tag der Übergabe untersucht worden, ohne dass die nunmehrigen Befunde festgestellt wurden. Zudem habe die Klägerin selbst noch mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss dem Beklagten gegenüber mitgeteilt, dass sich das Pferd in Topform befinde.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.09.2021 - 6 U 127/20

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2021.