Medikamentöse Zwangsbehandlung in vorläufiger Unterbringung nach § 126a StPO

Über die Rechtmäßigkeit einer medikamentösen Zwangsbehandlung im Rahmen einer vorläufigen Unterbringung nach § 126a StPO darf nur mit Beteiligung des Pflichtverteidigers und persönlicher Anhörung der betroffenen Person unter sachverständiger Beratung entschieden werden. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden und zudem betont, dass an eine Zwangsbehandlung in der vorläufigen Unterbringung besonders hohe Anforderungen zu stellen seien.

Angeklagte vorläufig untergebracht und mit Antipsychotika zwangsbehandelt

Der Beschwerdeführerin werden versuchte räuberische Erpressung und mehrere Brandstiftungen vorgeworfen. Das Strafverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Sie ist unter anderem wegen einer Psychose und einer aufgehobenen oder nicht ausschließbaren Einschränkung der Steuerfähigkeit vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Auf Antrag der Klinik genehmigte das zuständige Ministerium für Soziales und Integration die zwangsweise Behandlung der Beschwerdeführerin. Der Klinikleiter ordnete daraufhin die intramuskuläre Behandlung mit Antipsychotika an. Dies wurde der Beschwerdeführerin durch Übergabe des Bescheides angekündigt. Nach der ersten Behandlung erlitt die Beschwerdeführerin mehrere Kreislaufschwächen, ist im Denken aber geordneter, deutlich ruhiger und im Kontakt adäquater. Die Beschwerdeführerin legte selbst Widerspruch gegen die Zwangsbehandlung ein. Das Landgericht wies diesen Antrag im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Anhörung der Beschwerdeführerin und ohne Einschaltung ihres Pflichtverteidigers zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Frau.

OLG: Pflichtverteidiger hätte beteiligt werden müssen

Das OLG hat den LG-Beschluss aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Der Beschluss leide an mehreren schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Eine gegen den natürlichen Willen des Betroffenen vorgenommene Zwangsbehandlung stelle einen besonders schwerwiegenden Eingriff in seine Grundrechte dar. Dies gelte auch, wenn sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht bedinge unter anderem, dass hohe Anforderungen an den Erhalt des effektiven Rechtsschutzes des Betroffenen zu stellen seien. Daraus folge hier, dass der bereits im Strafverfahren bestellte Pflichtverteidiger am Verfahren zur Zwangsmedikation hätte beteiligt werden müssen. Gegenstand der Zwangsmedikation sei gerade die Einwilligungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin gewesen. Damit hätten Zweifel bestanden, dass die Beschwerdeführerin ihre Rechte in diesem Verfahren sachgerecht selbst wahrnehmen kann.

LG hätte Beschwerdeführerin im Beisein eines Sachverständigen anhören müssen

Das Gericht hätte zudem auf eine bestmögliche Sachverhaltsaufklärung hinwirken müssen. Dazu hätte gehört, sich einen eigenen aktuellen persönlichen Eindruck durch Anhörung der Beschwerdeführerin zu verschaffen. Außerdem wäre die Einschaltung eines externen forensischen Sachverständigen erforderlich gewesen.

Höhere Anforderungen an Zwangsbehandlung in einstweiliger Unterbringung

Der Senat hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an eine Zwangsbehandlung, die bereits im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung, vor Rechtskraft des Urteils der Strafkammer, erfolgen solle, besonders hoch anzusetzen seien. Zwar lasse das Hessische Maßregelvollzugsgesetz eine Zwangsbehandlung unter bestimmten Umständen bereits in der einstweiligen Unterbringung zu. Sie werde aber nur in Fällen in Betracht kommen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte von großem Gewicht dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßregelvollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre. Ein Hinweis auf eine drohende Chronifizierung der psychiatrischen Erkrankung reiche insoweit nicht aus.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 03.01.2023 - 3 Ws 488/22

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2023.