Partielles fetales Alkoholsyndrom diagnostiziert
Der Kläger wurde von einer in den ersten Wochen der Schwangerschaft Alkohol konsumierenden Minderjährigen geboren. Durch Vermittlung des Jugendamtes kam er in die Pflege der Klägerin und ihres Ehemanns, die ihn schließlich adoptierten. Die ärztliche Behandlung erfolgte zunächst durch die Beklagten, die unter anderem Medikamente wegen ADHS verschrieben. Die Pflegeeltern stellten den Kläger später in einer FAS (Fetales Alkoholsyndrom)-Ambulanz vor. Es wurde ein partielles fetales Alkoholsyndrom diagnostiziert. Der Kläger wirft den Beklagten vor, das Vorliegen eines fetalen Alkoholsyndroms nicht diagnostiziert zu haben. Die klagende Adoptivmutter begehrt von den Beklagten Verdienstausfall für die Zeiten des dreijährigen Erziehungsurlaubes und der nachfolgenden Aufgabe ihrer früheren Vollzeitbeschäftigung in Höhe von knapp 150.000 Euro. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
Frühere adäquate Therapie hätte Erkrankungsfolgen nicht abmildern können
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Beklagten hafteten dem Kläger nicht, stellte das OLG fest. Es sei kein Behandlungsfehler festzustellen. Insbesondere habe keine (Verdachts-)Diagnose auf Vorliegen eines FAS gestellt werden müssen. Es sei nicht feststellbar, dass der Alkoholkonsum der leiblichen Mutter den Beklagten bekannt gewesen sei. Die Beklagten hafteten auch nicht wegen eines Befunderhebungsfehlers, da nicht feststellbar sei, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund des Vorliegens spezifischer Merkmale der FAS die zu klärende Verdachtsdiagnose zu stellen gewesen wäre. Soweit Auffälligkeiten diagnostiziert worden waren, ließen sich diese auf die Vernachlässigung des Klägers in seinen ersten Lebenswochen zurückführen, in denen er nicht die nötige Nähe und Fürsorge erhalten habe. Jedenfalls sei nicht feststellbar, dass eine frühere adäquate Therapie die Erkrankungsfolgen abgemildert hätte. Der herangezogene Sachverständige habe vielmehr dargelegt, dass bei früherer Einleitung einer Therapie keine Verbesserung hätte erreicht werden können.
Kein Ersatz des Verdienstausfalls der Pflegemutter
Die Adoptivmutter könne auch nicht Ersatz des Verdienstausfalls verlangen. Sie sei zwar berechtigt, aus dem Behandlungsvertrag den Mehraufwand für die Pflege und Versorgung des durch die Behandlung geschädigten Kindes als eigenen Schaden geltend zu machen. Hier verlange die Pflegemutter indes nicht vermehrten Pflege- und Unterhaltsaufwand, sondern Verdienstausfall. Es sei – unabhängig vom fehlenden Behandlungsfehler – nicht feststellbar, dass sie ihre Berufstätigkeit wegen des Klägers aufgegeben habe. "Das sie wegen der Erkrankung auf diese dreijährige Berufstätigkeit verzichtet, erschließt sich nicht, weil sie offensichtlich ein vernachlässigtes Baby einer Minderjährigen aufnehmen und diesem ersichtlich intensive Nähe und Fürsorge zukommen lassen wollte", stellte das OLG heraus. Da eine frühere Behandlung des Klägers nicht zu einer normalen Entwicklung geführt hätte, könne sie auch nicht Verdienstausfall für die Zeit nach Ablauf des Erziehungsurlaubs verlangen.