OLG Frankfurt am Main: Jahrzehntelange Verhandlungen über Baumängel schließen Verjährungseinrede städtischer Bauträgerin aus

Errichtet eine städtische Tochtergesellschaft eine Reihenhaussiedlung und verhandelt jahrzehntelang mit den Hauseigentümern und später der WEG über Mängel, verstieße es gegen Treu und Glauben, im Prozess die Einrede der Verjährung zu erheben. Dies stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 10.12.2018 klar (Az.: 29 U 123/17, nicht rechtskräftig).

Streit um Mängel in Reihenhaussiedlung

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der Stadt Wiesbaden. Sie hat als Bauträgerin 32 Reihenhäuser in Wiesbaden-Dotzheim errichtet. Die Häuser wurden 1998 abgenommen. Die Gemeinschaft der Eigentümer dieser Häuser (WEG) begehrt nunmehr von der Beklagten Mangelbeseitigung.

Gutachter stellten schon 2002 vielfache Mängel fest

Bereits 2002 beantragten die Hauseigentümer, im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens festzustellen, dass zahlreiche Mängel (unter anderem Feuchtigkeit, Schimmel) vorliegen. Der Architekt unterstützte die Beklagte als Streithelfer. In dem selbstständigen Beweisverfahren wurden drei gerichtliche Gutachten und anschließend mehrere Privatgutachten verschiedener Sachverständiger eingeholt. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass die Reihenhäuser vielfache Mängel aufweisen.

WEG klagt 2016 – Bauträgerin beruft sich auf Verjährung

Da die Parteien sich über die Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen hinsichtlich dreier von vier Reihenhauszeilen nicht einigen konnten, hat die Klägerin erst 2016 Klage auf Nachbesserung und Schadenersatz erhoben. Im Prozess haben die beklagte städtische Tochter und der Streithelfer unter anderem geltend gemacht, dass die Klägerin nicht wirksam Ansprüche der einzelnen Eigentümer geltend machen könne. Es fehle ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, wonach die hier klagende WEG wirksam die Rechte der Wohnungseigentümer an sich ziehe und geltend machen könne. Folglich seien die Ansprüche verjährt.

OLG bejaht Prozessführungsbefugnis der WEG und verneint Verjährung

Das Landgericht Wiesbaden hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das OLG hat das Urteil des LG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das LG habe zu Unrecht die Prozessführungsbefugnis der klagenden WEG abgelehnt. Die Klägerin könne hier wirksam die Rechte der einzelnen Hauseigentümer geltend machen. Dies ergebe sich jedenfalls aus einem nunmehr vorliegenden Beschluss der Eigentümer aus dem Jahr 2010. Die Nachbesserungsrechte seien damit nicht verjährt. Das LG müsse nunmehr intensiv aufklären, ob, und welche Mängel zur Nachbesserung berechtigen würden.

Erstmaliges Berufen auf Verjährung im Prozess treuwidrig

Das OLG betonte darüber hinaus, dass die Beklagte sich bereits deshalb nicht wirksam auf die Einrede der Verjährung berufen könne, da ihr Verhalten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Die Beklagte habe jahrzehntelang zunächst mit den Eigentümern und dann mit der klagenden WEG über das Vorliegen von Mängeln verhandelt. Es sei umfangreich und kostspielig Beweis erhoben worden. Als städtische Tochter berühre ihre Arbeit als Bauträgerin darüber hinaus den Bereich der Daseinsvorsorge. Unter diesen Umständen sei es treuwidrig, wenn sich die Beklagte erstmals im Prozess auf die Einrede der Verjährung berufe.

Revision nicht zugelassen – Beschwerde möglich

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof die Zulassung der Revision begehren.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10.12.2018 - 29 U 123/17

Redaktion beck-aktuell, 10. Dezember 2018.