Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bei Vakanz und Übernahmeangebot

In dringenden Fällen ist ein Aufsichtsrat nach § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG auch vor Ablauf der Dreimonatsfrist auf die satzungsmäßig vorgesehene Zahl durch gerichtliche Bestellung zu ergänzen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat deshalb im Hinblick auf ein laufendes Übernahmeangebot der betroffenen Bank drei Aufsichtsratsmitglieder, befristet bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung, bestellt.

Vakanzen in Aufsichtsrat während laufenden Übernahmeangebots

Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der in Wiesbaden ansässigen börsennotierten Bank wurden Anfang Dezember 2021 drei Mitglieder des drittelparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrats abgewählt. Der von einer Minderheitsaktionärin vorgeschlagenen Neuwahl von drei Aufsichtsratsmitgliedern wurde nicht zugestimmt. Der Aufsichtsrat bestand damit statt der satzungsmäßig vorgesehenen 12 nur aus neun Personen. Die Vakanzen ereigneten sich während eines laufenden Übernahmeangebots. Der Aufsichtsratsvorsitzende beantragte beim Amtsgericht Wiesbaden die gerichtliche Bestellung von drei konkret benannten Nachfolgern für die abgewählten Aufsichtsräte, befristet bis zur nächsten Hauptversammlung. Die Minderheitsaktionärin beantragte die gerichtliche Bestellung dreier anderer Personen. Das Amtsgericht Wiesbaden wies beide Anträge zurück, da kein dringender Fall vorliege. Dagegen legten Aufsichtsratsvorsitzender und Minderheitsaktionärin jeweils Beschwerde ein.

OLG: Übernahmesituation typischerweise dringender Fall

Die Beschwerde des Aufsichtsratsvorsitzenden hatte Erfolg. Das OLG hat die drei vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeschlagenen Aufsichtsräte bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung als Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Der Aufsichtsrat der Bank sei schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist auf die durch die Satzung festgesetzte Zahl zu ergänzen, da ein dringender Fall vorliege. Im Hinblick auf ein Übernahmeangebot sei es von entscheidender Bedeutung für die Bank, dass der Aufsichtsrat nicht nur beschlussfähig, sondern auch vollständig besetzt sei. Eine Übernahmesituation stelle typischerweise einen dringenden Fall dar.

Auswahl der Personen an Interessen der Bank zu orientieren

Die vom Senat nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Auswahl der Personen für die vakanten Aufsichtsratsämter habe sich an den Interessen der Bank zu orientieren. Der Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden, den die verbliebenen neun Aufsichtsratsmitglieder teilten, habe insoweit entscheidendes Gewicht. Demgegenüber seien die von der Minderheitsaktionärin benannten drei Personen gerade nicht von der Hauptversammlung gewählt worden.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.01.2022 - 20 W 5/22

Redaktion beck-aktuell, 14. Januar 2022.