OLG Frankfurt am Main: Etappensieg für Kleinanleger im "Telekom-Prozess"

Im Musterverfahren zum dritten Börsengang der Deutschen Telekom haben die Kleinanleger einen Etappensieg erzielt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bejahte in einem Musterentscheid vom 30.11.2016 ein Verschulden der Telekom für einen Prospektfehler. 16.000 Anleger dürfen jetzt auf Schadenersatz hoffen. Das Gericht entschied allerdings, dass die Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung im Einzelfall geprüft werden müsse (Az.: 23 Kap 1/06).

Vorwurf: Prospekt unrichtig 

Der dritte Börsengang der Telekom erfolgte im Juni 2000, nachdem im Mai ein entsprechender Prospekt veröffentlicht worden war. Der Ausgabepreis der sogenannten T-Aktie lag für Privatanleger bei 63,50 Euro, der Börsenkurs am 19.06.2000 bei 65,79 Euro. Er fiel bis Ende 2000 deutlich ab und notierte im September 2002 auf einem Tiefststand von 8,42 Euro. Über 16.000 Anleger machten daraufhin geltend, der Prospekt sei unrichtig gewesen und klagten auf Schadenersatz vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Das LG erließ im Juli 2006 einen Vorlagebeschluss nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an das OLG über bestimmte Tatsachen- und Rechtsfragen, die für alle Schadenersatzklagen relevant sind.

Musterentscheid vom Mai 2012

In seiner ersten Entscheidung, dem Musterentscheid vom 16.05.2012, konnte das OLG nach umfangreicher Verhandlung und Beweisaufnahme keine Prospektfehler feststellen. Insbesondere der Erwerb des US-amerikanischen Mobilfunkunternehmens Voicestream habe nicht schon zu einem Zeitpunkt festgestanden, als er in dem Prospekt noch hätte kommuniziert werden müssen. Auch die Bewertung der Immobilien der Telekom nach dem sogenannten Cluster-Verfahren habe der damaligen Gesetzeslage entsprochen. Die konzerninterne Übertragung der Anteile an der US-amerikanischen Sprint Inc. sei in dem Prospekt in hinreichender Deutlichkeit erläutert.

BGH hob Musterentscheid teilweise auf

Mit Beschluss vom 21.10.2014 hat der BGH den Musterentscheid des OLG vom 16.05.2012 teilweise aufgehoben. Der BGH sah in der Darstellung der Übertragung der Aktien der Sprint Inc., die im Eigentum der Telekom standen, auf ein Tochterunternehmen der Telekom einen Prospektfehler, da hier unzutreffend von einem "Verkauf" die Rede war. Die übrigen Feststellungen des OLG im Musterentscheid vom 16.05.2012 beanstandete der BGH nicht. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verwies der BGH das Verfahren an das OLG zurück, damit es die bisher im Verfahren nicht erheblichen Fragen der Kausalität des Fehlers und des Verschuldens der Telekom prüft. Zu diesen Aspekten haben beide Musterparteien noch umfangreiche Ergänzungsanträge beim LG Frankfurt am Main eingereicht, das auch entsprechende Ergänzungsbeschlüsse erlassen hat, die ebenfalls Gegenstand der Entscheidung wurden.

Neuer Musterentscheid des OLG

In dem jetzt verkündeten Musterentscheid, der aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2016 erging, hat das OLG ein Verschulden der Telekom bejaht, da diese nicht den ihr nach der gesetzlichen Regelung obliegenden Gegenbeweis geführt habe. Hauptargument ist für das OLG insofern der Umstand, dass der Vortrag der Telekom dazu, wie es zur Verwendung des fehlerhaften Begriffs "Verkauf" gekommen war, nicht widerspruchsfrei und nachvollziehbar war und ist.

Kausalität im Einzelfall zu prüfen

Hinsichtlich der Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung der einzelnen Kläger hat des OLG entschieden, dass diese jeweils in den Ausgangsverfahren vom LG im Einzelfall zu prüfen sein wird, da es um individuelle Fragen geht. Aus diesem Grund verböten sich generelle Festlegungen, wie sie beide Musterparteien begehrt hatten. Die Entscheidung, die den Musterparteien zugestellt und im Übrigen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht wird, ist nicht rechtskräftig. Alle Beteiligten können Rechtsbeschwerde einlegen, über die wiederum der BGH zu entscheiden hat.

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2016.