Einreiseschwierigkeiten russischer Angeklagter kein andauerndes Verfahrenshindernis

Etwaige durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hervorgerufene Einreiseschwierigkeiten für in Deutschland Angeklagte russischer Staatsangehörigkeit, die sich in der Russischen Föderation aufhalten, begründen kein andauerndes Verfahrenshindernis. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden und auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft einen Einstellungsbeschluss des Landgerichts Darmstadt aufgehoben.

Angeklagte halten sich in Russland auf

Die Angeklagten, beide russische Staatsbürger, waren vom LG Darmstadt wegen Beihilfe zur Untreue und Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Nach mehrjähriger Untersuchungshaft halten sie sich wieder in der Russischen Föderation auf. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin hatte der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG Darmstadt zurückverwiesen. Das LG stellte das Verfahren im Frühjahr 2023 wegen eines andauernden Verfahrenshindernisses (§ 206a StPO) ein. Das Erscheinen der Angeklagten zu einer neuen Hauptverhandlung würde die Angeklagten im Hinblick auf die von der EU verhängten Reisebeschränkungen sowie mögliche Repressionen bei ihrer Rückkehr in die Russische Föderation unverhältnismäßig belasten.

Erscheinen trotz Krieges möglich und zumutbar

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte vor dem OLG Erfolg. Dieses hob den Einstellungsbeschluss auf. Die vom LG dargelegten Umstände begründeten kein andauerndes Verfahrenshindernis. Wie lange der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine dauern werde, sei offen. "Ein Erscheinen der Angeklagten zu einem neuen Hauptverhandlungstermin ist gleichwohl derzeit weder objektiv ausgeschlossen noch unzumutbar", führte das OLG weiter aus. Auch ohne direkten Flugverkehr bestünden etwa Flugmöglichkeiten über internationale Drehkreuze nach Deutschland. Zudem sei eine Ein- und Ausreise über den Landweg mit dem Pkw oder dem Bus möglich. Nach Aussetzung der Visumsfreiheit für russische Reisende gebe es die Möglichkeit, das Visumsantragsverfahren durchzuführen. "Dass eine solche Einreise eine beschwerliche und umständliche Prozedur für die Angeklagten darstellt, stellt kein Hinderungsgrund im Sinne des § 206a StPO dar, denn auch andere Angeschuldigte aus anderen Herkunftsstaaten haben sich (...) umständlichen, teuren und langwierigen Aus- und Einreisemodalitäten zu unterziehen, um sich ihrem in Deutschland geführten Verfahren zu stellen (...)", betonte das OLG.

Keine Anhaltspunkte für Repressalien

Es lägen auch keine konkreten Anhaltspunkte für mögliche Repressalien bei Rückkehr der Angeklagten nach Russland vor, die der Prozessführung entgegenstehen könnten. Soweit die russische Staatsduma ausreisewillige russische Staatsbürger möglicherweise allein wegen ihres Ausreisewillens als Landesverräter der Verfolgung aussetze, greife dieser Einwand hier nicht. Die Angeklagten würden ihr Land gerade nur vorübergehend für den Zeitraum der Prozessführung verlassen und durch eine nachfolgende Rückkehr belegen, dass sie nicht dauerhaft ausreisewillig sind. Schließlich würden weder das Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis der Fortführung des Verfahrens noch eine mögliche überlange Verfahrensdauer zur Verfahrenseinstellung wegen eines andauernden Verfahrenshindernisses berechtigen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.06.2023 - 7 Ws 85/23

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2023.

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