OLG Frankfurt am Main: Wegen drohenden EU-Austritts Großbritanniens kein erleichterter Arrestgrund

Gegenwärtig besteht kein Grund, gegenüber in Großbritannien ansässigen Schuldnern einen erleichterten Arrestgrund deshalb anzunehmen, weil das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt wäre. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 03.05.2019 hervor. Denn es sei zur Zeit nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Großbritannien ohne irgendein – auch Fragen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regelndes – Abkommen aus der EU austreten werde (Az.: 2 U 1/19).

Dinglicher Arrest gegen in Großbritannien wohnhaften Zahnarzt angeordnet

Die Klägerin ist Eigentümerin von Praxisräumen. Der beklagte Zahnarzt mietete diese Räume bis April 2023. Seit April 2018 zahlte er keine Miete mehr. Im Mai 2018 teilte er mit, dass er die Praxis geschlossen habe und nicht mehr in Deutschland wohne. Das Handelsregister von England und Wales weist eine britische Anschrift für den Beklagten aus. Die Klägerin beantragte im August 2018, wegen nicht gezahlter Mieten den dinglichen Arrest in das Vermögen des Beklagten anzuordnen. Dem kam das Amtsgericht Wiesbaden nach. Auf Widerspruch des Beklagten hin bestätigte das Landgericht Wiesbaden die Anordnung des dinglichen Arrests. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.

OLG bestätigt dinglichen Arrest wegen Gefährdung der Zwangsvollstreckung

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG sah die Voraussetzungen für die Anordnung eines dinglichen Arrestes gegeben. Ohne die Verhängung des Arrests bestünde die Gefahr, dass die Vollstreckung eines von der Klägerin erwirkten Titels vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die Klägerin habe einen Anspruch auf rückständige Mietzahlungen. Dieser Anspruch solle mit dem dinglichen Arrest gesichert werden. Die künftige Vollstreckung des noch zu erwirkenden Vollstreckungstitels sei auch gefährdet.

Drohender EU-Austritt Großbritanniens begründet aber keinen Arrestgrund

Laut OLG liegt die Gefährdung hier allerdings nicht bereits darin, dass der Titel künftig im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt wäre (§ 917 Abs. 2 S. 1 ZPO). Diese Situation könne zwar eintreten, wenn Großbritannien aus der EU austrete und nach diesem Zeitpunkt kein weiteres internationales Abkommen die Anerkennung und Vollstreckung von in Deutschland erwirkten Entscheidungen im Verhältnis zu Großbritannien regelte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien tatsächlich - als Folge des Referendums vom 23.06.2016 - aus der EU austreten werde, sei zum jetzigen Zeitpunkt zwar hoch. Es sei auch unwahrscheinlich, dass die Klägerin bis zum - derzeit auf den 31.10.2019 verschobenen - Austrittstermin Vollstreckungstitel erwirken und vollstrecken könne. Bei der gebotenen prognostischen Beurteilung sei aber gegenwärtig nicht davon auszugehen, dass Großbritannien aus der EU austrete, ohne dass irgendein Abkommen mit der EU diesen Austritt vertraglich regelte. Wenn aber ein Abkommen geschlossen werden sollte, könne davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die zukünftige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aus der Europäischen Union auch in Großbritannien in vergleichbarer Weise mitvereinbart werden würde. Diese Thematik gehöre soweit ersichtlich nicht zu den umstrittenen Bereichen der politischen Debatte, so das OLG.

Verhalten des Beklagten lässt jedoch Vereitelung der Zwangsvollstreckung befürchten

Das OLG sieht aber einen Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 ZPO gegeben, da aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beklagten zu befürchten sei, dass die Vollstreckung ohne Verhängung des Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Das Vermieterpfandrecht sichere die Klägerin nicht ausreichend. Außerdem habe der Beklagte dem Vermieterpfandrecht unterliegendes werthaltiges Inventar aus den Praxisräumen entfernt. Er habe zudem eine Vollstreckung bereits aktiv dadurch erschwert, dass er ins Ausland verzogen sei, ohne der Klägerin seine aktuelle Anschrift mitzuteilen. Schließlich habe der Beklagte selbst bereits angekündigt, dass Versuche einer Vollstreckung fehlschlagen würden. Um eine Nachfolgeregelung für den befristeten Mietvertrag habe er sich ebenfalls nicht gekümmert und damit Schadensminderungspflichten verletzt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Beklagte in jeder Hinsicht gegen die Vertragsinteressen der Klägerin gehandelt habe, so dass konkret zu befürchten sei, dass er auch eine Zwangsvollstreckung vereiteln werde.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 03.05.2019 - 2 U 1/19

Redaktion beck-aktuell, 13. Mai 2019.

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