OLG Frank­furt am Main: Falsch­be­ur­kun­dung im Amt durch Über­las­sung eines Blan­ko-Mess­pro­to­kolls an pri­va­ten Dienst­leis­ter

Über­lässt ein Ho­heits­trä­ger einem zur Ge­schwin­dig­keits­mes­sung ein­ge­setz­ten “pri­va­ten Dienst­leis­ter“ ein blan­ko un­ter­zeich­ne­tes Mess­pro­to­koll, wel­ches ver­viel­fäl­tigt und mit kon­kre­ten Da­ten­sät­zen ver­se­hen zur Grund­la­ge von Ver­warn­gel­dern wird, stellt dies eine Falsch­be­ur­kun­dung im Amt dar. Die Mess­pro­to­kol­le er­füll­ten die Ei­gen­schaft einer öf­fent­li­chen Ur­kun­de, ent­schied das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main mit Be­schluss vom 02.01.2020 (Az.: 2 Ss 40/19).

Pri­va­ter Dienst­leis­ter wurde mit Ge­schwin­dig­keits­kon­trol­le be­auf­tragt

Der An­ge­klag­te S. war bei der Stadt K. der für die Ver­kehrs­über­wa­chung zu­stän­di­ge Sach­ge­biets­lei­ter des Ord­nungs­amts. Der An­ge­klag­te K. ist mit sei­ner Firma selbst­stän­di­ger "pri­va­ter Dienst­leis­ter" im Be­reich der Ge­schwin­dig­keits­mes­sun­gen. Bis zur ers­ten Ent­schei­dung des Ge­richts zur Un­zu­läs­sig­keit des Ein­sat­zes "pri­va­ter Dienst­leis­ter" im Be­reich der Ver­kehrs­über­wa­chung (Früh­jahr 2017) hatte die Stadt K. durch den An­ge­klag­ten K. Mess­ge­rä­te auf­stel­len und die Mes­sung durch­füh­ren und (vor)aus­wer­ten las­sen. Dafür er­hielt der An­ge­klag­te K. eine Zah­lung "pro ver­wert­ba­re(m) Fall". Der An­ge­klag­te S. ver­sprach sich auf­grund der Viel­zahl der Bu­ß­geld­ver­fah­ren eine Hö­her­grup­pie­rung, der An­ge­klag­te K. woll­te die lu­kra­ti­ve Ge­schäfts­be­zie­hung fort­set­zen.

Amts­trä­ger hän­dig­te blan­ko un­ter­schrie­be­nes Mess­pro­to­koll aus

Zu die­sem Zweck ver­ein­bar­ten die An­ge­klag­ten die Fort­set­zung des Vor­ge­hens mit der Ab­wei­chung, dass der An­ge­klag­te S. dem An­ge­klag­ten K. ein von ihm blan­ko un­ter­schrie­be­nes Mess­pro­to­koll über­gab, wel­ches der An­ge­klag­te K. ko­pier­te und bei Ein­rich­tung der je­wei­li­gen Mess­stel­len aus­füll­te. Damit wurde dem be­trof­fe­nen Bür­ger, der ei­ge­nen Be­hör­de und den Ge­rich­ten ge­gen­über, der un­zu­tref­fen­de Ein­druck er­weckt, dass der An­ge­klag­te S. als Orts­po­li­zei die Mes­sung durch­ge­führt hatte. Im Wei­te­ren wur­den die Mes­sun­gen, was die An­ge­klag­ten wuss­ten, di­gi­ta­li­siert und in aus­schlie­ß­lich elek­tro­ni­scher Form wei­ter­ver­ar­bei­tet. Auf die­ser Grund­la­ge er­ging eine Viel­zahl von Buß- und Ver­warn­gel­dern. Der An­ge­klag­te S. wurde durch Ur­teil des Amts­ge­richts Kas­sel vom 07.06.2016 wegen Falsch­be­ur­kun­dung im Amt in 17 Fäl­len zu einer Ge­samt­frei­heits­stra­fe von einem Jahr und einem Monat auf Be­wäh­rung ver­ur­teilt, der An­ge­klag­te K. wegen Bei­hil­fe dazu zu einer Geld­stra­fe. Auf Be­ru­fung der Staats­an­walt­schaft wur­den die Stra­fen an­ge­ho­ben. Die An­ge­klag­ten leg­ten Re­vi­si­on ein.

OLG be­stä­tig­te vor­in­stanz­li­che Ver­ur­tei­lun­gen wegen Falsch­be­ur­kun­dung im Amt

Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Re­vi­sio­nen jetzt zu­rück­ge­wie­sen. Die im Rah­men von Ge­schwin­dig­keits­kon­trol­len zu stel­len­den Mess­pro­to­kol­le stell­ten öf­fent­li­che Ur­kun­den im Sinn des § 348 StGB dar. Sie dien­ten dazu, Be­weis­kraft für und gegen je­der­mann zu er­brin­gen. Die Ver­kehrs­über­wa­chung und Sank­tio­nie­rung bei Ver­stö­ßen sei ho­heit­li­che Kern­auf­ga­be. Die Mes­sung sei sys­te­ma­tisch nur be­dingt re­kon­stru­ier­bar. "Um den Nach­weis füh­ren zu kön­nen, ist daher ein ord­nungs­ge­mäß von einem Ho­heits­trä­ger im Rah­men sei­ner Zu­stän­dig­keit er­rich­te­tes, in­halt­lich zu­tref­fen­des Mess­pro­to­koll ... eine ma­ß­geb­li­che Vor­aus­set­zung, ge­ra­de bei Mas­sen­ver­fah­ren." Dem Mess­pro­to­koll komme damit be­son­de­re Be­weis­kraft im Sinn eines öf­fent­li­chen Glau­bens zu.

Haupt­an­ge­klag­ter ver­schlei­er­te das Vor­ge­hen

Der An­ge­klag­te K. habe in einer Viel­zahl von Fäl­len als "pri­va­ter Dienst­leis­ter" ge­set­zes­wid­rig Ver­kehrs­mes­sun­gen vor­ge­nom­men, (vor)aus­ge­wer­tet und Mess­pro­to­kol­le er­stellt, die in einer Viel­zahl von Bu­ß­geld- und Ver­warn­geld­ver­fah­ren als Be­weis­mit­tel Ver­wen­dung ge­fun­den hät­ten. Dies sei im be­wuss­ten, kol­lu­si­ven Zu­sam­men­wir­ken mit dem An­ge­klag­ten S. als zu­stän­di­gem Ord­nungs­po­li­zis­ten er­folgt. Der An­ge­klag­te S. habe zur Ver­schleie­rung dem An­ge­klag­ten K. eine von ihm un­ter­zeich­ne­te Kopie eines Blan­ko­mess­pro­to­kolls zur Ver­fü­gung ge­stellt. Da in die­sen Mess­pro­to­kol­len der An­ge­klag­te S. als Mess­be­am­ter auf­ge­führt war, soll­te auf diese Weise sug­ge­riert wer­den, dass die Mes­sun­gen vom Ho­heits­trä­ger durch­ge­führt wur­den.

Ver­hal­ten zeugt von hoher kri­mi­nel­ler En­er­gie

Der An­ge­klag­te S. müsse sich die An­ga­ben des An­ge­klag­ten K., die die­ser im Namen des S. ab­ge­ge­ben habe, auch zu­rech­nen las­sen. Der Sinn der Ab­spra­che habe ge­ra­de darin ge­le­gen, dass K. die Ar­beit des S. durch­führt und beide ge­wollt dar­über täu­schen, dass S. die Mes­sung durch­ge­führt habe. Die darin zum Aus­druck kom­men­de hohe kri­mi­nel­le En­er­gie hätte bei einem "nor­ma­len" Ur­kunds­de­likt zur Straf­lo­sig­keit ge­führt. Eine "nor­ma­le" Ur­kun­den­fäl­schung liege vor, wenn über den Er­stel­ler ge­täuscht werde. Hier aber habe der An­ge­klag­te S. ge­ra­de als Aus­stel­ler fun­gie­ren wol­len. Un­zu­tref­fend sei der In­halt der Ur­kun­de. Die Rich­tig­keit des In­halts einer Ur­kun­de sei je­doch nur bei einer öf­fent­li­chen Ur­kun­de ge­schützt, da nur dort der In­halt für und gegen je­der­mann wirke.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 02.01.2020 - 2 Ss 40/19

Redaktion beck-aktuell, 21. Januar 2020.

Mehr zum Thema