OLG Frankfurt am Main bestätigt vorbereitenden Aufsichtsratsbeschluss vor Werksschließung bei Opel

In der streitigen Hauptversammlung bestanden wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten keine Aktionärsrechte. Die Mitteilung über den Anteilsbesitz von mehr als 25% durch ein Unternehmen nach § 20 Abs. 7 AktG war unterlassen worden. Werden in der Hauptversammlung nun gleichwohl Aufsichtsratsmitglieder bestellt, ist der einstimmig gefasste Bestellungsbeschluss zwar anfechtbar, nicht aber nichtig. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 02.05.2019 hervor (Az.: 22 U 61/17).

Stimmabgaben auch telefonisch oder per Mail möglich

Wie das Gericht zudem klarstellte, können Stimmabgaben von Aufsichtsratsmitgliedern bei entsprechender Regelung in der Satzung auch per E-Mail ohne qualifizierte Signatur erfolgen. Teilnehmer, die die Aufsichtsratssitzung telefonisch verfolgen, können als anwesend angesehen werden und telefonisch abstimmen.

Kläger geht von Nichtigkeit aus

Der Kläger im zugrundeliegenden Fall war als Arbeitnehmer Mitglied des Aufsichtsrats der von der Beklagten von 2010 bis 2017 geführten Aktiengesellschaft. Die AG produzierte Autos auch in Bochum. Der Aufsichtsrat fasste im April 2013 unter anderem einen Beschluss zum Tagesordnungspunkt "Status Bochum & Plan der nächsten Schritte". Der Beschluss ermächtigte den Vorstand, "an der Ausarbeitung und Verhandlung eines Vorschlags im Hinblick auf das Produktionsende in Bochum zu arbeiten" unter Berücksichtigung von Einzelkriterien. Im März 2014 beschloss der Aufsichtsrat die Stilllegung des Werkes Bochum und seine Schließung zum Ende des Jahres 2014. Der Kläger meint, der Beschluss vom April 2013 sei bereits formal nicht wirksam zustande gekommen und deshalb nichtig. Die Aufsichtsratsmitglieder seien zudem unzureichend durch den Vorstand informiert worden. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Bestellungsbeschluss nicht fristgerecht angefochten

Die Berufung des Klägers hatte jetzt auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne auch nach der Werksschließung berechtigterweise die Rechtmäßigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses – und damit auch seine Verantwortlichkeit – klären lassen. Der Beschluss sei jedoch wirksam. Alle Mitglieder des Aufsichtsrates seien zuvor wirksam bestellt worden. Die Bestellung von zwei Aufsichtsratsmitgliedern sei zwar in einer Hauptversammlung erfolgt, in der wegen unterlassener gesetzlich geforderter Mitteilungen (§ 20 AktG) formal keine Aktionärsrechte bestanden hätten. Dieser Bestellungsbeschluss sei jedoch nicht nichtig, sondern nur anfechtbar gewesen. Eine fristgerechte Anfechtung fehle.

Qualifizierte Signatur nicht erforderlich

Die wirksam bestellten Mitglieder hätten auch alle wirksam ihre Stimmen abgegeben. Dies gelte insbesondere für die Stimmabgabe eines Aufsichtsratsmitglieds, die zuvor per E-Mail als pdf mit Unterschrift eingegangen sei. Dem Mitglied sei vorbereitend die sinngemäß und fast wortgleiche Beschlussvorlage übersandt worden. Hinsichtlich dieser habe er seine Stimme abgegeben. Kleine Unterschiede in der Formulierung gegenüber der Beschlussfassung in der Sitzung vom 17.04.2013 seien nicht signifikant und damit unerheblich. Einer qualifizierten Signatur habe es nicht bedurft.

Telefonische Stimmabgabe war möglich

Die telefonischen Stimmabgaben zweier weiterer Aufsichtsratsmitglieder seien ebenfalls wirksam. In der Satzung sei dies zwar nicht vorgesehen gewesen. Die beiden Aufsichtsratsmitglieder seien aber als "anwesend" im Protokoll geführt worden. Es sei deshalb davon ausgegangen, dass sie an der Aufsichtsratssitzung teilgenommen haben, indem sie während der Sitzungszeit durchgängig per Telefon die Vorgänge der Aufsichtsratssitzung verfolgen konnten. Entsprechend sei eine telefonische Stimmabgabe möglich gewesen.

Informationspflichten ausreichend erfüllt

Schließlich sei der Beschluss auch nicht wegen der Verletzung von Informationsrechten unwirksam. Es habe sich allein um einen "vorbereitenden" Beschluss gehandelt. "Der Beschluss vom 17.04.2013 war zwar sicher von großer Bedeutung und stellte eine Weichenstellung dar. Er war aber noch nicht der endgültige Beschluss über die Schließung des Werkes Bochum", betonte das OLG. Da der Beschluss aber erhebliche Bedeutung hatte, hätten vor der Beschlussfassung Informationspflichten bestanden. Diese seien jedoch ausreichend erfüllt worden.

Revision zum BGH zugelassen

Gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichthof möglich, die wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Fragen zugelassen wurde. Sowohl die Frage der Folgen einer Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in einer Hauptversammlung, die in einer Zeit ohne Aktionärsrechte durchgeführt wurde, als auch die Frage, ob telefonisch zugeschaltete Mitglieder als "anwesend" anzusehen sind, sei bislang höchstrichterlich nicht geklärt.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.05.2019 - 22 U 61/17

Redaktion beck-aktuell, 3. Mai 2019.