Keine U-Haft bei zu später Terminierung des Hauptverfahrens

Trotz dringenden Tatverdachts im Bereich der Rauschgiftkriminalität sind fünf Angeschuldigte wegen zu später Terminierung des Hauptverfahrens am Landgericht Frankfurt am Main aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das Oberlandesgericht der Stadt hob die zunächst nur ausgesetzten Haftbefehle jetzt wegen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot ganz auf. Unstimmigkeiten zu einer möglichen Überlastung der LG-Kammer dürften nicht zu Lasten der Angeschuldigten gehen.

Den Angeschuldigten sollen im November vergangenen Jahres 110 Kilogramm Kokainzubereitung aus Brasilien über den Frankfurter Flughafen eingeschmuggelt haben.

Die Angeschuldigten befanden sich seitdem aufgrund von Haftbefehlen des Amtsgerichts Frankfurt am Main in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft erhob im April Anklage zum LG Frankfurt am Main – Große Strafkammer. Der Vorsitzende hielt seine Kammer für überlastet und wollte das Verfahren einer anderen Kammer übertragen, fand beim angerufenen Präsidium des LG aber keine Unterstützung.

Die Kammer setzte daraufhin Ende Juni die Haftbefehle gegen Auflagen außer Vollzug, da die Hauptverhandlung nicht vor Januar 2024 durchgeführt werden könne. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete daher die Außervollzugsetzung. Die Angeklagten wurden in der Folge aus der Haft entlassen.

Verzögerung darf nicht zulasten der Angeschuldigten gehen

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos. Vielmehr hob das OLG die Haftbefehle auf. Es liege zwar ein dringender Tatverdacht vor. Der von der Strafkammer avisierte Beginn der Hauptverhandlung frühestens im Januar 2024 verletze jedoch das Beschleunigungsgebot. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Statt der üblicherweise anzusetzenden drei Monate zwischen Eröffnungsreife und Hauptverhandlung stünden hier rund sechs Monate im Raum. Das OLG betont, dass es keine Möglichkeit habe, auf die Terminierung der Kammer oder die dem Präsidium obliegende Gerichtsorganisation des LG Einfluss zu nehmen.

Justizinterne Unstimmigkeiten zwischen dem Präsidium des Gerichts und der Kammer bezüglich deren Belastungssituation dürften allerdings nicht zulasten der Angeschuldigten gehen. Denn diese hätten die absehbare Verzögerung jedenfalls nicht zu vertreten.

Landesjustizminister: LG Frankfurt personell gut ausgestattet

Entsprechend äußerte sich auch der Justizminister des Landes Hessen Roman Poseck zu dem Vorgang. "Auch mir ist eine Bewertung, ob die Kammer überlastet ist oder nicht, verwehrt. Jeder Versuch, auf die Kammer oder das Präsidium Einfluss zu nehmen, käme einem Verfassungsverstoß gleich", so der CDU-Politiker. 

Poseck betont zudem, dass in dem Fall "kein Zusammenhang zur allgemeinen Belastungssituation des Landgerichts Frankfurt" bestehe. Dieses sei personell gut ausgestattet. Die Belastungsquote der Richterinnen und Richter habe 2022 bei 98,71% gelegen. Sie sei aufgrund massiver personeller Unterstützungsmaßnahmen gegenüber früheren Jahren deutlich zurückgegangen (2020: 119,05%; 2021: 111,80%).

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19.07.2023 - 1 Ws 225-229/23

Redaktion beck-aktuell, 24. Juli 2023.