OLG Frankfurt am Main: Äußerungen in WhatsApp-Nachrichten an engste Familienmitglieder unterfallen "beleidigungsfreier Sphäre"

Innerhalb des engsten Familienkreises besteht ein ehrschutzfreier Raum, der es ermöglicht, sich frei auszusprechen, ohne gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen ("beleidigungsfreie Sphäre"). Dies gelte auch für Äußerungen (hier: Misshandlungsvorwurf) in WhatsApp-Nachrichten, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 17.01.2019 (Az.: 16 W 54/18).

Schwiegersohn verklagte Schwiegermutter 

Der Kläger ist der Schwiegersohn der Beklagten. Er verlangte von seiner Schwiegermutter, dass sie zahlreiche Äußerungen über ihn nicht mehr behauptet oder verbreitet. Er und die Tochter der Beklagten haben zwei gemeinsame Kinder und sind weiterhin verheiratet. Anfang 2016 kam es zu einem heftigen Ehestreit. Nach Darstellung des Klägers fasste er in diesem Zusammenhang seinen Sohn, der nicht von alleine das Zimmer verlassen wollte, am Nacken/Halsbereich und "schubste" ihn von hinten, damit er ein wenig schneller laufe. Die Ehefrau des Klägers fertigte ein Video des weinenden und sich am Hals fassenden Sohnes an. Dieses gab sie der Beklagten zur Aufbewahrung.

Schwiegermutter behauptete Kindesmisshandlung gegenüber Schwester und Mutter

Die beklagte Schwiegermutter verfasste daraufhin ein so genanntes "Protokoll über Misshandlungen", in welchem sie zahlreiche Verhaltensweisen des Klägers auflistete. Dieses "Protokoll" sowie das Video versandte die Beklagte als WhatsApp-Anlagen an ihre Schwester mit der Bitte, dieses an ihre gemeinsame Mutter weiterzuleiten. Darüber hinaus stellte sie Strafanzeige gegen den Kläger wegen Kindesmisshandlung und legte dem Jugendamt und der Kriminalpolizei ebenfalls das "Protokoll" und das Video bei. Der Kläger begehrte von der Beklagten, dass sie zahlreiche in diesem "Protokoll" enthaltene Aussagen nicht weiter behauptet und verbreitet. Das Landgericht wies seinen Antrag zurück. Dagegen legte der Kläger Beschwerde ein.

OLG: Engster Familienkreis ist "beleidigungsfreie Sphäre"

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Äußerungen seien als privilegierte Äußerungen einzustufen. Sie seien in einem "ehrschutzfreien Raum" gefallen und deshalb nicht rechtswidrig. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gebe es einen Bereich vertraulicher Kommunikation innerhalb besonders ausgestalteter Vertrauensbeziehungen, wozu insbesondere der engste Familienkreis gehöre, der dem Ehrenschutz vorgehe ("beleidigungsfreie Sphäre"). Damit solle ein persönlicher Freiraum gewährt werden, in dem man sich mit seinen engsten Verwandten frei aussprechen könne, ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts eigentlich nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen privaten Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtlichen Schutz, welcher dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgehe.

Auch Äußerungen in WhatsApp-Nachrichten umfasst

Laut OLG sind die streitgegenständlichen Äußerungen in diesem Freiraum erfolgt. Die Beklagte unterhalte zu den Adressaten der Mitteilungen einen sehr engen und guten Kontakt, der das Bedürfnis rechtfertige, sich über den Kläger frei auszusprechen. Dabei spiele es keine Rolle, dass sich die Aussagen in einem elektronischen Dokument als Anlage zu einer WhatsApp Nachricht befunden hätten und nicht bloß (fern)mündlich kommuniziert worden seien.

Kein Unterlassungsanspruch wegen Weiterleitung an Kriminalpolizei und Jugendamt

Soweit die beanstandeten Äußerungen und das "Protokoll" auch an die Kriminalpolizei und das Jugendamt weitergeleitet worden seien, könne darauf ohnehin kein Unterlassungsanspruch gestützt werden, führt das OLG weiter aus. Es sei mit dem Recht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz sowie auf rechtliches Gehör unvereinbar, wenn rechtliche Äußerungen in einem Prozess oder die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten in einem Strafverfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu straf-, oder zivilrechtlichen Nachteilen führten, weil sich eine Behauptung später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.01.2019 - 16 W 54/18

Redaktion beck-aktuell, 30. Januar 2019.