Entzug des Sorgerechts: Kindeswohl steht über elterlichen Konflikten

Kindesschutzrechtliche Maßnahmen wie der Entzug des Sorgerechts sind streng am Kindeswohl zu orientieren. Sie sind laut OLG Frankfurt a.M. insbesondere nicht deswegen gerechtfertigt, weil ein Elternteil die Kinder zulasten des anderen manipuliert.

Im zugrunde liegenden Fall geht es um drei Geschwister im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren. Ihre Eltern sind verheiratet, leben aber seit Sommer 2022 getrennt. Seither wohnen die Geschwister bei der Mutter. Mit ihrem Vater haben sie keinen regelmäßigen und stabilen Umgang. Der Vater macht dafür die Mutter verantwortlich, diese manipuliere die Kinder. Nach massiven Konflikten zwischen den Eltern und diversen kindschaftsrechtlichen Verfahren beantragte der Vater, die gemeinsame elterliche Sorge zu beenden und ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen.

In dem Verfahren holte das AG ein Sachverständigengutachten ein, in dem eine temporäre Fremdunterbringung der Kinder als Lösung vorgeschlagen wurde. Die Mutter lehnte das ab, woraufhin der Vater die Übertragung auch des Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf sich beantragte. Das AG entzog daraufhin beiden Eltern das Sorge- und das Aufenthaltsbestimmungsrecht und brachte die Kinder in einer Wochengruppe unter. Die Wochenenden verbrachten sie seither im Wechsel entweder beim Vater oder der Mutter.

Das aber gefiel beiden Eltern nicht, Vater und Mutter legten Beschwerde ein. Mittlerweile leben die Kinder – auf einen entsprechenden Hinweis des OLG hin – wieder im Haushalt der Mutter. Das OLG hat zudem das Sorgerecht wieder beiden Eltern zur gemeinsamen Ausübung zugewiesen. Den hier zum Zweck der Fremdunterbringung beschlossenen Entzug der elterlichen Sorge hält das OLG für unverhältnismäßig. Er sei nicht das für die Kinder einzig gebotene und verhältnismäßige Mittel gewesen, um ihre Gesamtsituation zu verbessern.

Zwar belaste sie der hochkonflikthafte Umgangsstreit ihrer Eltern. Jedoch habe ihre Herausnahme aus dem mütterlichen Haushalt schwerwiegende Entwicklungsrisiken geborgen. "Der Umzug in die Wochengruppe (...) bedeutete (...) eine komplette Entwurzelung - von ihrem Zuhause, ihrer Mutter als Hauptbezugsperson, der weiteren Familie, ihren Freunden, ihren bisherigen Schulen wie auch ihrem sozialen Umfeld im Übrigen", führt das OLG aus. Es gebe derzeit auch keinen empirischen Beleg für die Wirksamkeit einer Herausnahme eines Kindes aus dem Haushalt eines angeblich manipulierenden, entfremdenden Elternteils. Dies sei im Sachverständigengutachten verkannt worden.

Soweit wesentliche Anteile der Konfliktdynamik der Eltern im Verhalten der Mutter begründet seien, seien kindesschutzrechtliche Maßnahmen streng am Kindeswohl zu orientieren. Der "Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern oder die Sanktionierung vermeintlichen Fehlverhaltens" sei nicht Maßstab und Ziel einer Sorgerechtsentscheidung, unterstreicht das OLG abschließend (Beschluss vom 29.01.2025 – 1 UF 186/24, unanfechtbar).

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2025 - 1 UF 186/24

Redaktion beck-aktuell, bw, 10. Februar 2025.

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