Kartellverstöße: Deutsche Gerichte trotz vereinbartem Drittstaat-Gerichtsstand zuständig

Für auf Kartellverbote gestützte Klagen kann die Zuständigkeit deutscher Gerichte laut OLG Frankfurt a.M. nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung entzogen und auf Einrichtungen von Drittstaaten übertragen werden. Das OLG bestätigte das angerufene LG Frankfurt a.M. als international zuständig.

Der Anwendungsvorrang des deutschen Kartellrechts solle auch die fehlerfreie Beurteilung eines Rechtsstreits durch die Instanzen sichern, so das OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 22.04.2025 - 11 U 68/23 (Kart)).

13 Sparkassen haben das amerikanische Kreditkartenunternehmen VISA und die englische Tochtergesellschaft Visa Europe verklagt, weil sie ein Verbot in den Bedingungen der Tochter für kartellrechtswidrig halten. Danach dürfen sie für Bargeldabhebungen an ihren Automaten mit von anderen Banken ausgestellten Visa- und V Pay-Karten kein Entgelt verlangen.

Visa und Visa Europe bestritten die Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts. Sie beriefen sich auf 2015 geschlossene Mitgliedschaftsvereinbarungen ("Membership Deed"). Darin ist die Anwendung englischen Rechts und die ausschließliche Zuständigkeit englischer Gerichte vorgesehen.

Das LG Frankfurt a.M. bejahte mit einem Zwischenurteil seine internationale Zuständigkeit. Das hat das OLG nun bestätigt. Die in den Mitgliedschaftsvereinbarungen enthaltene Gerichtsstandsklausel greife schon deshalb nicht, weil sie mit dem Erwerb von Visa Europe durch Visa 2016 außer Kraft getreten und auch keine neue Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen worden sei.

GWB-Kartellverbote: "Elementare Grundlagen der Rechtsordnung"

Aber selbst wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Folgezeit bestehen würde, würde sie die streitgegenständlichen kartellrechtlichen Ansprüche nicht erfassen, so das OLG weiter. Bei einer Auslegung der Regelung nach autonomem Unionsrecht erstrecke sie sich nicht auf diese Ansprüche. Eine Gesamtschau der maßgeblichen Unionsregelungen und der deutschen GWB-Regelungen zum Zweck der Kartellverbote ergebe, dass nach deutschem Recht deutsche Gerichte ausschließlich international für die vorliegende Klage zuständig seien.

Die Kartellverbote im GWB (§§ 19-21) gehörten gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung "zu den elementaren Grundlagen der Rechtsordnung und den grundlegenden Normen des Kartellrechts". Keine Rechtsordnung könne es hinnehmen, "dass den staatlichen Einrichtungen, die die Einhaltung dieser Bestimmungen gewährleisten sollen, durch die Akteure - und damit unter Mitwirkung der potentiellen Deliktstäter - die Zuständigkeit entzogen und stattdessen den Einrichtungen fremder Staaten übertragen wird", so das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.04.2025 - 11 U 68/23 (Kart)

Redaktion beck-aktuell, hs, 28. April 2025.

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