Keine Pauschgebühr für Farbanschlag

Das OLG Frankfurt a.M. meint es nicht gut mit einem Strafverteidiger, der im Lübcke-Prozess verteidigt hatte: ein Farbanschlag, ein gekündigter Kanzleimietvertrag, viel Pressearbeit und der Austritt aus dem Karnevalsverein: Das seien alles keine Gründe, fast 60.000 Euro Pauschgebühr zu bezahlen.

Ein Rechtsanwalt verteidigte mit einer Kollegin den Mitangeklagten von Stefan E. in dem Staatsschutzverfahren um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Es gab 244 Bände Ermittlungsakten durchzuarbeiten und 45 Hauptverhandlungstermine in sieben Monaten vor- und nachzubearbeiten. Der Pflichtverteidiger machte – neben der aus der Staatskasse gezahlten Vergütung von 41.000 Euro – eine Pauschgebühr geltend. Insgesamt wollte er ein Honorar in Höhe von 100.000 Euro.

Dies begründete er mit dem Umfang und der Schwierigkeit des Verfahrens: Sein Mandant sei wegen psychischer Beihilfe zu dem Mord angeklagt gewesen. Es habe sich um den ersten Prozess wegen eines rechtsradikalen Mords seit der Ermordung von Reichsaußenminister Rathenau 1922 gehandelt. Er habe mehrere Tage gebraucht, um das alte Reichsgerichtsurteil zu finden, das nicht in den gängigen Archiven aufbewahrt werde. Außerdem habe er auch viel Pressearbeit verrichten und zahlreiche Gerichtsverfahren wegen unfairer Berichterstattung für seinen Mandanten führen müssen.

Auf seine Kanzlei sei ein Farbanschlag begangen worden, weshalb ihm der Mietvertrag gekündigt worden sei. Infolge seiner Verteidigung sei ihm auch sein Geschäftskonto gekündigt worden. Und er habe aus dem Karnevalsverein austreten müssen. Das OLG Frankfurt am Main gestand ihm nur die ursprünglichen 41.000 Euro zu.

Pauschgebühr gibt es nur zum Ausgleich von Sonderopfern

Das OLG (Beschluss vom 07.03.2024 – 2 ARs 10/22) verdeutlichte, dass nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Pauschgebühr nur zu bewilligen sei, wenn die regulären Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar seien. Zweck der Pauschgebühr sei, ein Sonderopfer des Anwalts auszugleichen.

Hier hätten die Akten auch in elektronischer Form vorgelegen, sie seien geordnet gewesen und die Anklageschrift habe sogar Fußnoten enthalten, die auf die Fundstellen verwiesen. Die Frankfurter Richterinnen und Richter fanden deshalb, dass die Einarbeitung in den Prozessstoff sehr schnell gelingen konnte.

Die Heranziehung weiterer Urteile sei selbstverständlich und könne nicht gesondert vergütet werden. Pressearbeit gehöre nicht zu den zu bezahlenden Tätigkeiten eines Pflichtverteidigers. Das OLG lehnte es – gegen die Stellungnahme einer Bezirksrevisorin, die zumindest für eine weitere Zahlung von 5.000 Euro plädierte – auch ab, den erzwungenen Kanzleiumzug oder die Änderung der Bankverbindung zu honorieren: Kündigungen von Geschäftsbeziehungen gehörten zum allgemeinen Geschäftsrisiko. 

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 07.03.2024 - 2 ARs 10/22

Redaktion beck-aktuell, rw, 13. August 2024.