Die voneinander getrennten Eltern eines sechsjährigen Jungen waren sich bis jetzt einig gewesen, dem gemeinsamen Kind nicht die von der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO) empfohlenen Regelimpfungen geben zu lassen. Nun aber änderte der Vater seine Meinung und beantragte vor dem Amtsgericht Bensheim, ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis für die Durchführung von dreizehn verschiedenen Impfungen, allesamt sogenannte Nachholimpfungen, zu übertragen.
Die Mutter stellte sich dem entgegen, sie behauptete schwere Impfschäden bei dem älteren Bruder des Kindes sowie bei sich selbst und folgerte daraus, dass auch ihr zweiter Sohn schwere gesundheitliche Folgen davontragen würde. Sie forderte ein Sachverständigengutachten, um zu belegen, dass es kontraindiziert sei, ihm die Impfungen zu verabreichen: Er leide an einer Darmerkrankung und Immundefizienz. Der Vater hingegen legte ein Attest des behandelnden Kinderarztes vor, wonach nichts gegen die Durchführung der Impfungen spreche.
Das Amtsgericht erteilte dem Vater die Entscheidungsbefugnis, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt errang die Mutter nur einen kleinen Erfolg.
Entscheidungsbefugnis folgt der STIKO-Empfehlung
Das OLG blieb bei seiner Rechtsprechung und gab der Mutter in Bezug auf nur drei der Impfungen Recht.
Die Durchführung von Schutzimpfungen sei eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 Abs. 1 BGB. Die Entscheidungsbefugnis für die Impfungen ist dem OLG zufolge an den Elternteil zu übertragen, der den Empfehlungen der STIKO folge – und zwar ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Für zehn der 13 Impfungen blieb es demnach bei der Entscheidungsbefugnis des Vaters: Drei Impfungen seien laut den Empfehlungen der STIKO in dem Alter des Jungen nicht mehr angezeigt gewesen, die anderen zehn aber schon.
Kein Anlass für weitere Ermittlungen
Eine Ausnahme will das OLG nur in Fällen machen, in denen es Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen gibt.
Hier sehen die Frankfurter Richter keine solchen Anzeichen: Hinsichtlich der geltend gemachten Impfschäden der Mutter und ihres älteren Sohnes fehlte ihnen eine hinreichend genaue Beschreibung des Kausalzusammenhangs zwischen Impfung und Reaktionen.
Zudem sei nicht dargelegt, warum der betroffene Junge nun ebenfalls Impfschäden davontragen sollte; allein die genetische Verwandtschaft reiche hierfür nicht aus. Hinsichtlich der behaupteten Störung der Immuneffizienz winkte das OLG ab. Der Senat verwies darauf, dass die STIKO laut 4.9 des Epidemiologischen Bulletins in solchen Fällen einen möglichst weitreichenden Impfschutz empfehle.