Von Oktober 2023 bis Dezember 2024 gab die Bahn bestimmte günstige Ticketarten ausschließlich digital aus. Wer solche Tickets erwerben wollte – sei es über die Bahn-App, am Schalter oder telefonisch über den Reiseservice – musste zwingend eine E-Mail-Adresse oder eine Handynummer angeben, um das digitale Ticket bzw. die Auftragsnummer zu empfangen. Am Automaten war der Erwerb dieser Tickets nicht möglich.
Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen diese Praxis und verlangte, dass die Deutsche Bahn Fernverkehr AG es unterlässt, E-Mail-Adressen und/oder Handynummern von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verarbeiten, ohne dass dies für die Vertragsdurchführung erforderlich ist – mit Erfolg.
OLG: Marktbeherrschende Stellung schließt freiwillige Einwilligung aus
Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass diese Praxis rechtswidrig ist und gegen die DS-GVO verstößt. Das Gericht sah darin eine unzulässige Datenverarbeitung, die nicht für die Vertragserfüllung erforderlich sei (Urteil vom 10.07.2025 - 6 UKl 14/24).
Der Senat stellte klar, dass die Verarbeitung der Kontaktdaten weder auf einer wirksamen Einwilligung noch auf einer anderen Rechtsgrundlage der DS-GVO beruhte. Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten keine freie Entscheidung über die Preisgabe ihrer Daten treffen, da die sie keine "echte oder freie Wahl" gehabt hätten. Wer nicht bereit gewesen sei, eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer zu nennen, habe das Ticket einfach nicht erwerben können. Gegen die Freiwilligkeit spreche auch die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Bahn Fernverkehr AG auf dem Markt des Eisenbahnfernverkehrs. Auf einen Konkurrenten auszuweichen, sei meist nicht möglich.
Das Ticket selbst diene lediglich dem Nachweis der Bezahlung des Beförderungsvertrags. Dafür könnten Privatpersonen nicht gezwungen werden, ihre Daten preiszugeben. Die digitale Form des Tickets erleichtere allein der Deutschen Bahn die Abwicklung der Hauptleistung und diene vornehmlich unternehmensinternen Zwecken wie der Kundenbindung, Werbung oder der Kontrolle des Nutzerverhaltens. Das OLG stellte zudem fest, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten auch nicht zur Verwirklichung überwiegender berechtigter Interessen unbedingt erforderlich war. Bloße Nützlichkeit oder bestmögliche Effizienz genügten dafür nicht.
Einfache Lösung am Schalter
Die Bahn hat nach eigenen Angaben den Prozess nach Kundenbeschwerden bereits vor dem Urteil geändert. Am Schalter können die Kunden nun auch ohne die Datenfreigabe einen Ausdruck ihrer Fahrkarte erhalten. Schon zuvor konnten die Karten am Schalter ausgedruckt werden, waren aber nur nach Angabe der Daten überhaupt erhältlich.
Eine Unternehmenssprecherin erklärt dazu: "Auch wenn es nur sehr wenige Menschen gibt, die keine Mailadresse haben, möchten wir diesen weiterhin die Möglichkeit geben, Sparpreis-Tickets zu buchen." Man empfehle aber weiterhin die Angabe einer Mail-Adresse, um die Kunden informieren zu können, zum Beispiel bei Gleiswechseln oder Verspätungen. An Automaten sind die Sparpreise weiterhin nicht erhältlich.
Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband bezeichnet das Urteil als Erfolg für den Verbraucherschutz. Sie sagte: "Ein Zwang zur Preisgabe von Daten beim Fahrkartenkauf - das geht gar nicht. Niemand darf beim Bahnfahren ausgegrenzt werden. Die Bahn muss auch analoge einfache Ticketangebote zur Verfügung stellen."