Abschieds-Testament: Rechtsanwalt muss alle Seiten übergeben
© caftor / stock.adobe.com

Ein Anwalt übergibt dem Nachlassgericht nur die letzten Seiten eines Schriftstücks eines Mandaten, das als Testament in Betracht kommt: Der Mandant habe die ersten Seiten vertraulich behandelt haben wollen. Laut OLG Frankfurt a.M. muss der Anwalt das Original komplett vorlegen.

Der Rechtsanwalt hatte von seinem Mandanten "sieben Blätter" zur Verwahrung erhalten. Dabei handelte es sich bei den ersten vier Seiten um einen Abschiedsbrief. Seite 5 begann mit den Worten "Jetzt komme ich zu dem Teil, der nicht mehr vertraulich ist. Der Teil ist für mich wichtig." Auf diesen Seiten führte der Mandant aus, dass alles, was er besitze, seine Mutter erhalten solle.

Nachdem der Klient verstorben war und dessen Mutter einen Erbschein beantragte, bekam das Nachlassgericht Wind von dem Brief. Es forderte den Rechtsanwalt zur Herausgabe des Schriftstücks im Original auf, weil dieses aller Wahrscheinlichkeit nach Verfügungen von Todes wegen enthalte. Doch der Anwalt legte dem Gericht nur die letzten drei Seiten vor. Die ersten vier – mit den vertraulichen Informationen – blieben in seiner Obhut. Er berief sich auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit, auf der sein Mandant zu Lebzeiten hinsichtlich der ersten vier Seiten beharrt habe.

Der Hinweis des Nachlassgerichts, dass es auch selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, genügte dem Anwalt nicht. Dem Gericht wiederum reichte die anwaltliche Versicherung nicht aus, wonach der vordere Teil keine Verfügungen von Todes wegen enthalte. Es müsse sich selbst davon überzeugen. Schließlich ordnete es an, dass der Rechtsanwalt das Original bis zu einem bestimmten Datum abzuliefern habe. Gegen den Beschluss legte der Anwalt Beschwerde ein.

OLG: Anwalt muss Abschiedsbrief beim Nachlassgericht abliefern

Erfolg hatte er damit nicht: Das OLG entschied, dass der Rechtsanwalt die Ablieferung des ihm anvertrauten Testaments nicht unter Berufung auf seine Verschwiegenheitspflicht verweigern durfte (Beschluss vom 15.01.2025 – 20 W 220/22). Der Mandant habe die Pflicht zur Testamentsvorlage nicht einschränken können. Daran ändere auch die Schweigepflicht nichts, da sie nicht uneingeschränkt gelte.

Die Ablieferungspflicht nach § 2259 Abs. 1 BGB umfasse auch die ersten vier – fortlaufend nummerierten – Seiten des Abschiedsbriefs des Klienten, die als Testament in Frage kämen. Dies gelte auch dann, wenn der unmittelbare Besitzer – wie hier – erkläre, dass diese keine erbrechtlich relevanten, sondern nur vom Erblasser ausdrücklich als vertraulich gekennzeichnete persönliche Ausführungen enthielten. Die Prüfung, ob dies der Fall sei, obliege allein dem Nachlassgericht.

Der Jurist, so das OLG weiter, könne die Ablieferung nicht mit der Begründung verweigern, das Schriftstück sei ihm von seinem Mandanten mit der Anweisung übergeben worden, es in Teilen vertraulich zu behandeln. Die Richterinnen betonten an dieser Stelle, dass ein Erblasser die Eröffnung eines Testaments nach § 2263 BGB nicht wirksam ausschließen könne. Denn die Ablieferungspflicht stelle schließlich eine gesetzliche Ausnahme zur Berufsverschwiegenheit nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO dar.

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.01.2025 - 20 W 220/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 19. Mai 2025.

Mehr zum Thema