"Briefmarkenentgelte" für Gastransport durch deutsche Fernleitungsnetze zulässig

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Beschwerden einiger Fernleitungsnetzbetreiber sowie eines Gaslieferanten gegen die Einführung einheitlicher "Briefmarkenentgelte" für den Gastransport durch die deutschen Fernleitungsnetze zurückgewiesen. Der Briefmarkentarif entspreche europarechtlichen Vorgaben und sei auch unter Beachtung der Besonderheiten der deutschen Fernleitungslandschaft nicht zu beanstanden.

"Briefmarkentarif" als Referenzpreis für Ein- und Ausspeiseentgelte

Hintergrund sind die neuen Vorgaben, welche die Bundesnetzagentur zur Preisbildung für Gasfernleitungsdienstleistungen mit Festlegungen vom 29.03.2019 erlassen hat. Bis dahin setzten die Gasfernleitungsbetreiber die ihnen durch die Bundesnetzagentur zugestandenen Erlösobergrenzen in individuelle Entgelte um. Die Preisbildung basierte auf netzbetreiberindividuellen Kosten. Durch die Neuregelung führte die Bundesnetzagentur einen von allen Fernleitungsnetzbetreibern zu erhebenden distanzunabhängigen einheitlichen "Briefmarkentarif" als Referenzpreis für Ein- und Ausspeiseentgelte ein.

Einführung führte zu Entgeltänderungen bei Betreibern

Ermittelt wird der Tarif, indem die zugestandenen Erlöse aus Fernleitungsdienstleistungen durch die prognostizierten Transportkapazitäten dividiert werden. Seine Anwendung hat zur Folge, dass die Fernleitungsnetzbetreiber jährlich von ihren Erlösobergrenzen abweichende Summen erlösen und die Abweichungen zwischen der jeweiligen Erlösobergrenze und den auf Basis des Einheitstarifs erwirtschafteten Beträgen untereinander auszugleichen sind. Der einheitliche Briefmarkentarif führte so dazu, dass einige Fernleitungsnetzbetreiber ihre Entgelte erhöhen mussten, andere sie absenken konnten. Der gegen die Einführung des Einheitstarifs gerichtete Eilantrag blieb erfolglos und wurde im Mai 2019 vom Senat abschlägig beschieden.

Beschwerdeführer halten Einheitstarif für nicht sachgerecht

Hiergegen richteten sich die Beschwerden einiger Fernleitungsnetzbetreiber sowie eines Gaslieferanten. Die Beschwerdeführerinnen machten geltend, dass der systemübergreifende Transport von Gas über die Grenzen eines Marktgebiets hinweg zu Transitzwecken die Nutzung einer größer dimensionierten Netzinfrastruktur erfordere und mit geringen Stückkosten verbunden sei als die systeminterne Nutzung. Somit bilde ein einheitlicher, die realen Kostenstrukturen nivellierender Briefmarkentarif die unterschiedlichen Kostenstrukturen nicht sachgerecht ab und sei nicht verursachungsgerecht. Letztlich subventionierten die das Fernleitungsnetz systemübergreifend nutzenden Transportkunden die systemintern nutzenden Kunden.

OLG bestätigt "Briefmarkentarif"

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerden zurückgewiesen. Der Briefmarkentarif entspreche europarechtlichen Vorgaben und sei auch unter Beachtung der Besonderheiten der deutschen Fernleitungslandschaft nicht zu beanstanden. Dem Transport von Gas in einem Entry-Exit-System wie in den deutschen Marktgebieten liege grundsätzlich eine einheitliche gaswirtschaftliche Leistung zugrunde, die überdies auf erheblichen Kooperationsleistungen der Fernleitungsnetzbetreiber beruhe. Die Wertung der Bundesnetzagentur, dass diese Leistung durch eine einheitliche Briefmarke sachgerecht bepreist werde, sei beurteilungsfehlerfrei. Ein Attraktivitätsverlust des deutschen Fernleitungsnetzes wegen der Entgeltsteigerungen sei nicht zu befürchten, da es maßgeblich auf weitere Einflussfaktoren wie die technische Sicherheit sowie geopolitische Interessen bei der Wahl der Transportroute ankomme.

Redaktion beck-aktuell, 17. September 2020.