Anwalt muss nicht pauschal über Insolvenzgefahr aufklären
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Wenn Anwältinnen und Anwälte keine Kenntnis der bevorstehenden Insolvenz des Prozessgegners haben, müssen sie ihre Mandanten auch nicht davor warnen. Eine allgemeine Ermittlungspflicht lehnt das OLG Düsseldorf ab.

Zwar müssten Anwältinnen und Anwälte die Interessen ihres Auftraggebers umfassend wahrnehmen und Mandanten und Mandantinnen vor möglichen Gefahren warnen. Allerdings gelte das nur, soweit sie diese Gefahren auch erkennen oder bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats hätten erkennen müssen. Eine allgemeine Ermittlungspflicht besteht laut OLG Düsseldorf nicht (Hinweisbeschluss vom 04.06.2024 – 24 U 1/23).

Grundsätzlich dürfe sich ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin auf die Vollständigkeit der Informationen des Mandanten verlassen, soweit keine Anhaltspunkte für eine Oberflächlichkeit oder Lückenhaftigkeit gegeben seien, so das Gericht. Eine Pflicht, allgemeine Informationen – zum Beispiel über den Prozessgegner – selbst einzuholen, liefe dem Berufsbild des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zuwider. Das OLG kündigte an, die Berufung zurückzuweisen.

In dem Fall hatte sich eine Verkäuferin an einen Rechtsanwalt gewandt, der für sie einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber aushandeln sollte. In dem Vertrag wurde auch eine Abfindung vereinbart. Als der Arbeitgeber wenig später insolvent wurde, verlangte die Verkäuferin von ihrem Anwalt Schadensersatz: Er habe sie auf die Insolvenzgefahr des Unternehmens unaufgefordert hinweisen müssen, fand die Verkäuferin. Ohne Absicherung für den Insolvenzfall hätte sie das Abfindungsangebot nie angenommen. Die Differenz zwischen ihrem vorherigen Gehalt und dem geringeren Arbeitslosengeld wollte sie von dem Anwalt ersetzt haben.

Insolvenzgefahr ist keine Rechtskenntnis

Dem hat das OLG eine Absage erteilt und insoweit die Vorinstanz bestätigt. Die Berufung der Verkäuferin habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte könnten nur auf Gefahren hinweisen, von denen sie auch Kenntnis hätten. Innerhalb der Mandatsbeziehung schuldeten sie zwar mandatsbezogene Rechtskenntnisse, aber keine Kenntnisse zur wirtschaftlichen Stabilität des Gegners.

Auch der Einwand der Verkäuferin, sie sei als "Verkäuferin und Mutter" selbst rechtsunkundig, überzeugte das Gericht nicht. Zwar müssten Anwältinnen und Anwälte Unkundige über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Es sei trotzdem Sache der Mandantin, ihren Rechtsbeistand umfassend zu informieren. Auf die Vollständigkeit der Informationen, die ein Mandant beziehungsweise eine Mandantin liefert, könne sich der Anwalt grundsätzlich verlassen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.06.2024 - 24 U 1/23

Redaktion beck-aktuell, dd, 3. Juli 2024.