OLG Dresden: Widerspruch bei Lebensversicherungsverträgen nach § 5a VVG a.F.

VVG a. F. § 5a; VAG a. F. § 10a

Wurde der Versicherungsnehmer einer im Policenmodell geschlossenen Lebensversicherung anlässlich einer Vertragsänderung ordnungsgemäß belehrt, wird hierdurch die unwirksame Belehrung zum Ausgangsvertrag geheilt. Dies hat das Oberlandesgericht Dresden entschieden. Weiter beschlossen die Richter, dass die dem Vertrag beizufügenden Verbraucherinformationen nicht gesondert erteilt werden müssen, sondern auch in die Versicherungsbedingungen integriert werden können. Die Höhe der herauszugebenden Nutzungen sei vom Versicherungsnehmer unter Bezugnahme auf die Geschäftsberichte der Versicherung konkret darzulegen, eine sekundäre Darlegungslast der Versicherung, ihm die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, bestehe grundsätzlich nicht.

OLG Dresden, Beschluss vom 07.11.2019 - 4 U 1364/19, BeckRS 2019, 34235

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 2/2020 vom 23.01.2020

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Sachverhalt

Der Kläger macht in Bezug auf eine mit der Beklagten im sogenannten Policenmodell geschlossene Lebensversicherung Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien sowie der von der Beklagten gezogenen Nutzungen geltend. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Der Senat teilt in dem hier besprochenen Hinweisbeschluss seine Absicht mit, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien sowie Nutzungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht schlüssig dargelegt.

Nach § 5a VVG a. F. gelte für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG a. F. unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sogenanntes Policenmodell). Gemäß § 5a Abs. 1 und 2 VVG a. F. in der hier maßgeblichen Fassung (gültig vom 29.07.1994 bis 31.07.2001) betrage die Widerspruchsfrist 14 Tage. Der Lauf dieser Frist beginne gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a. F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden sei.

Es könne dahinstehen, ob die im Antragsformular enthaltene Widerspruchsbelehrung drucktechnisch ausreichend hervorgehoben im Sinn von § 5a Abs. 2 VVG a. F. war. Auf die ursprüngliche Widerspruchsbelehrung im Jahr 1994 komme es nämlich nicht an, nachdem der Kläger mit der Beklagten im Jahr 1995 eine wesentliche Ergänzung und Änderung des Vertrages vereinbart und die Beklagte den Kläger in diesem Zusammenhang ordnungsgemäß belehrt habe. Durch die Erhöhung der Versicherungssumme und -prämien nebst Verlängerung der Vertragslaufzeit sei eine Vertragsänderung entsprechend einem Neuabschluss vorgenommen worden.

In Bezug auf die dem Versicherungsnehmer mit der Übersendung des Versicherungsscheins zu erteilenden notwendigen Informationen im Sinn von § 10a VAG weist der Senat darauf hin, dass es keiner gesondert gestalteten und als solche gekennzeichneten Verbraucherinformation bedürfe. Die Informationen könnten sich auch aus den ihm überlassenen Allgemeinen Bedingungen für die Kapitallebensversicherung (AVB) ergeben. Dem stehe nicht entgegen, dass § 10a Abs. 2 Satz 2 VAG a. F. verlange, die Verbraucherinformation solle eindeutig formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich abgefasst sein. Das schränke die Gestaltungsfreiheit des Versicherers nicht in der Weise ein, dass er die notwendigen Informationen nur in einer gesonderten Verbraucherinformation erteilen kann. Er könne die Informationen vielmehr auch anderweitig geben.

Schließlich habe der Kläger die Höhe der nach seiner Ansicht von der Beklagten aus den gezahlten Versicherungsprämien während der Vertragslaufzeit gezogenen Nutzungen nicht substantiiert dargelegt. Er habe die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen seiner Zinsberechnung unter Bezugnahme auf den konkreten Lebensversicherungsvertrag und die konkrete Vertragslaufzeit darzulegen. Eine abstrakte Berechnung von Nutzungen, ohne die Zinsangabe unter Bezugnahme auf Geschäftsberichte der Beklagten oder auf andere nachvollziehbare Weise konkret zu begründen, sei verfehlt. Die Beklagte habe im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch nicht die Pflicht, die für die Ermittlung der tatsächlich gezogenen Nutzungen erforderlichen Informationen und Nachweise konkret zu erbringen.

Praxishinweis

In Verfahren zu § 5a VVG a. F. wegen von Versicherungsnehmern erklärten Widersprüchen gegen Lebensversicherungsverträge haben sich die Gerichte mit einer ganzen Bandbreite von rechtlichen Fragen zu befassen. Höchstrichterlich geklärt – und dem folgt das OLG Dresden – ist, dass die Überlassung der Verbraucherinformation nach § 10a Abs. 2 Satz 2 VAG a. F. nicht voraussetzt, dass sie in einer gesonderten Urkunde oder in einem zusammenhängenden Text erteilt wird (BGH, Urteil vom 13.07.2016 - IV ZR 541/15, r+s 2016, 609: Dort war es ausreichend, dass im Anschluss an die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein unter der Überschrift «Vertragsgrundlagen» eine Aufzählung der übersandten Unterlagen erfolgte).

Desgleichen –und auch insoweit nachfolgend der erkennende Senat – hat der BGH entschieden, dass nicht vermutet werden kann, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Der insoweit darlegungsbelastete Versicherungsnehmer kann sich nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe stützen. Erst wenn der Versicherungsnehmer, etwa auf der Grundlage veröffentlichter Geschäftsberichte des Versicherers, entsprechend vorgetragen hat, obliegt diesem die sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14, NJW 2016, 1388).

Weitere Fragen stellen sich in Verfahren zu § 5a VVG a. F. regelmäßig im Zusammenhang mit der Verjährung der bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche des Versicherungsnehmers, dem Wegfall der Bereicherung bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, der Berechnung des Rückgewähranspruchs und vor allem und ganz insbesondere damit, ob die Widerspruchsbelehrung den durch höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelten Anforderungen genügt (Überblick bei Harsdorf-Gebhardt, r+s 2018, 625).

Redaktion beck-aktuell, 5. Februar 2020.