OLG Dresden: Kaskoversicherungsklausel zur Versicherungsleistung bei Verlust von Gebrauchtfahrzeugen

BGB § 307 I 2; VVG § 88

Das Oberlandesgericht Dresden hat sich die AVB einer Kaskoversicherung angesehen. Nach einer Klausel zahlt die Versicherung im Fall des Verlusts des Fahrzeugs den Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge, der durch Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisen ist. Er ist auf den von einem Kfz-Sachverständigen anhand der Schwacke-Liste rechnerisch zu ermittelnden Wiederbeschaffungswert begrenzt. Diese Klausel hält das OLG für hinreichend transparent im Sinn des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

OLG Dresden, Urteil vom 28.11.2017 - 4 U 1002/17 (LG Leipzig), BeckRS 2017, 135933

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 1/2018 vom 11.01.2018

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer weitere Leistungen aus einer Kfz-Kaskoversicherung. Nach der Regelung in C.3.3. AVB mit der Überschrift «Kaufpreisentschädigung für Gebrauchtfahrzeuge» zahlt die Versicherung im Fall des Verlusts des Fahrzeugs in der Produktlinie «Klassik» «den Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge nach C.1.4.». Dieser ist durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisen und auf den von einem Sachverständigen nach der Schwacke-Liste ermittelten rechnerischen Wiederbeschaffungswert im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung auf den Versicherungsnehmer begrenzt, wobei der Zustand unmittelbar vor Schadenseintritt zugrunde gelegt wird.

Das Landgericht hielt diese Klausel für intransparent und gab der Klage statt. Das OLG hob das LG-Urteil auf und wies die Klage als derzeit unbegründet ab.

Rechtliche Wertung

Die Klausel sei hinreichend transparent, meint das OLG. Es handle sich nicht um eine Sonderbedingung, die den Begriff des Kaufpreises definiere und damit anderen Bestimmungen vorgehe. Durch den Verweis auf die Bedingungen unter C.1.4. werde vielmehr klargestellt, dass sich dieser unter Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen in der Tarifvorschrift «unsere Leistungen» definiere. Gehe der Versicherungsnehmer diesem Verweis nach, könne er erkennen, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Versicherungsentschädigung zwar der durch die Rechnung über den Fahrzeugkauf nachzuweisende Kaufpreis sei, dass dieser aber nach oben durch den von einem Sachverständigen auf der Grundlage der Schwacke-Liste zu ermittelnden Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung begrenzt sei.

Für den Versicherungsnehmer, der das Bedingungswerk aufmerksam lese, sei damit klar ersichtlich, dass der Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge in C. 3.3. nicht in jedem Fall mit dem vertraglichen Kaufpreis identisch sei. Eine Unklarheit der Versicherungsbedingungen in dem Sinn, dass ein im täglichen Leben gängiger Begriff mit einem völlig anderen Inhalt aufgeladen würde, liege hierin nicht. Der Wortlaut greife mit dem «Kaufpreis für Gebrauchtfahrzeuge nach C.1.4» gerade keinen Alltagsbegriff auf, sondern definiere diesen eigenständig.

Die Regelung stelle auch keine bloße, überflüssige Wiederholung dar. Denn während C.1.4 den Wiederbeschaffungswert als den Preis definiere, der für den Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses aufgewandt werden muss, sei der Kaufpreis nach C. 3.3 der durch den Wiederbeschaffungswert am Tag der erstmaligen Zulassung auf den Versicherungsnehmer begrenzte Rechnungspreis. Ein verständiger Versicherungsnehmer, der den Verweis von C.3.3 nach C.1.4 aufgreife und beide Vorschriften im Kontext würdige, werde unschwer erkennen, dass die Regelung in C.3.3. zur Kaufpreisentschädigung ihn günstiger stelle als er stünde, wenn er lediglich den reinen Wiederbeschaffungswert erhielte.

Der Zusatznutzen der mit erhöhten Tarifleistungen verbundenen Produktlinie «Klassik» ergebe sich daraus, dass - wie bei Neuwagen auch - für Gebrauchtwagen ein erhöhter Leistungsumfang angeboten werde. An der Aufnahme einer Höchstentschädigungsregelung bestehe demgegenüber ein rechtliches Interesse des Versicherers, der nicht für unerwartete Wertsteigerungen des Fahrzeugs oder für einen überteuerten oder durch Absprachen manipulierten Gebrauchtwagenpreis haften will. Eine entsprechende Begrenzung finde sich auch in Ziffer C.1.5. zum Neuwagenkauf.

Gegen eine Intransparenz der Klausel spreche auch, dass hiermit nicht vom gesetzlichen Leitbild abgewichen werde. § 88 VVG gebe vielmehr grundsätzlich die Erstattung des Wiederbeschaffungswertes einer gleichwertigen gebrauchten Sache vor. Im Verhältnis hierzu sei die Regelung in C.3.3 in Verbindung mit C.1.4. wie ausgeführt günstiger. Die Klausel sei daher auch nicht überraschend, weil der Versicherungsnehmer ausgehend von diesem Leitbild ohnehin nicht damit rechnen könne, den Kaufpreis unabhängig vom tatsächlichen Wert des Fahrzeugs zu erhalten.

Da nach der Regelung in C.1.4 als Fälligkeitsvoraussetzung ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse, sei die Klage derzeit unbegründet.

Praxishinweis

Auch nach den Musterbedingungen A.2.6.1 AKB 2008 (vgl. Prölss/Martin VVG 29. Aufl. Nr. 350) wird nur der Wiederbeschaffungswert erstattet. Dem gegenüber stellt die streitgegenständliche Klausel eine Besserstellung des Versicherungsnehmers dar. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen.

Redaktion beck-aktuell, 25. Januar 2018.