Anwalt im Homeoffice: Fristenkontrolle muss gesichert sein
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Die "ansonsten stets zuverlässig arbeitende Kanzleigehilfin" kann auch nichts mehr retten, wenn ihre fehlerhafte Fristenberechnung vom Anwalt nicht überprüft wurde. Der Einwand einer Juristin, im Homeoffice keinen Zugriff auf die dafür notwendige Papierakte zu haben, zog beim OLG Dresden nicht.

Eine Anwältin hatte die zweimonatige Frist zur Berufungsbegründung am 24. Juli (einem Montag) um zwei Tage verpasst und Wiedereinsetzung beantragt. In der Sache ging es um Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung – der Streitwert lag immerhin bei über 100.000 Euro. Sie verteidigte sich damit, dass sie die falsche Fristberechnung ihrer "seit 2013 ohne Beanstandungen mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Kanzleikraft" nicht überprüfen habe können. Schließlich sei sie im Homeoffice gewesen, wo sie ausschließlich "mit elektronischen Dokumenten" arbeite. Die Papierakte sei noch im Büro gewesen. Die Berufungsbegründung hatte sie vor Antritt ihres vom 18. bis 23. Juli dauernden Urlaubs entworfen. Ihr Mandant ging in Berufung und verlor.

Das OLG Dresden verwarf die Berufung der Juristin wegen Versäumung der am 22. Juli abgelaufenen Frist als unzulässig und lehnte eine Wiedereinsetzung ab (Beschluss vom 12.08.2024 – 4 U 862/24). Denn die Anwältin des Mannes, die keine Sicherung zur Kontrolle und Organisation des Fristenwesens in ihrer Kanzlei gehabt habe, treffe ein Verschulden, da ihre Angestellte die falsche Frist notiert habe, hieß es zur Begründung. Dies sei ihrem Klienten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Die Richterinnen und Richter aus der sächsischen Landeshauptstadt warfen der Bevollmächtigten vor, die Fristberechnung der Kanzleikraft nicht eigenständig überprüft zu haben, als sie vor ihrem am 18. Juli beginnenden Urlaub die Berufungsbegründung im Entwurf erstellt habe. Dazu sei sie aber verpflichtet gewesen, vor allem im Rahmen der Vorbereitung der Berufungsbegründung. Sie hätte anhand der Handakte, in der das Datum der Zustellung des angefochtenen Urteils vermerkt war, eigenständig überprüfen müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist ausgehend hiervon korrekt berechnet war. Dann hätte sie, so das OLG weiter, auch gemerkt, dass ihre Angestellte die Begründungsfrist falsch ausgehend vom Ende der Berufungsfrist berechnet hatte: Diese war nach § 222 ZPO iVm § 193 BGB bis zum nächsten Montag verlängert worden, was aber keinen Einfluss auf die Berechnung der Begründungsfrist hatte.

Diese Pflicht besteht laut OLG auch dann, wenn der Anwalt im Homeoffice arbeitet und ihm die papiergebundene Handakte nicht vorliegt. Die Sorgfaltsanforderungen würden durch die Ortsunabhängigkeit des mobilen Arbeitens nicht eingeschränkt. Er müsse dafür sorgen, dass er zu jeder Zeit – auch von auswärts – auf seine Akten zugreifen kann.

OLG Dresden, Beschluss vom 12.08.2024 - 4 U 862/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 13. September 2024.