Eine Latex-Allergie hatte 2018 eine Krankenschwester gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Ihre Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zahlte ihr monatliche Beträge. Anfang 2021 schloss sie eine zweijährige Ausbildung zur "Kauffrau im Gesundheitswesen" erfolgreich ab. Ihr Klinikum beschäftigte sie anschließend als Medizinische Fachangestellte in Teilzeit weiter. Nach einigen Monaten stellte der Versicherer die Zahlungen ein. Dabei berief er sich darauf, dass sie entsprechend den Versicherungsbedingungen nunmehr eine "andere zumutbare Tätigkeit" ausübe, die ihrer "bisherigen Lebensstellung in sozialer und finanzieller Hinsicht" entspreche. Nachdem die Kauffrau 2022 wieder in Vollzeit arbeitete, betrug der Gehaltsverlust lediglich noch 2%.
Das LG verurteilte die Versicherung trotzdem, für weitere zehn Jahre zu leisten: Zumindest seit der Corona-Pandemie habe die Berufsgruppe "Kranken-Pflegepersonal" einen "sozialen Spitzenstatus". Der "ganz erhebliche Prestigeverlust", den sie durch den Abstieg zur Bürosachbearbeiterin erlitten habe, werde nicht durch "Vergütung oder Ausbildung aufgefangen".
Tätigkeit nach wie vor verantwortungsvoll
Das OLG Dresden (Endurteil vom 27.10.2023 – 3 U 725/23) konnte dieser Argumentation nichts abgewinnen, auch wenn die Beobachtung einer hohen Wertschätzung für Krankenschwestern seit Corona zutreffe. Dies sei aber auch schon zum – hier relevanten – Zeitpunkt des Leistungsfalls 2018 so gewesen; damals schon hätten Krankenpfleger in Umfragen Platz 2 hinter Feuerwehrleuten und Sanitätern bezüglich des entgegengebrachten Vertrauens belegt.
Ein Wechsel in den "Innendienst" könne im Einzelfall zwar auch mit einem Verlust sozialer Wertschätzung einhergehen, der eine Vergleichbarkeit der Berufe ausschließe. Die Dresdner Richterinnen und Richter verwiesen auf einen Fall des LG Berlin, wo ein aktiver Feuerwehrmann nur noch im Feuerwehrmuseum hätte arbeiten können.
Die reine Tatsache, dass die Frau nicht mehr direkt "am Krankenbett" arbeite, sei aber nicht ausreichend. Sie sei oft die erste Ansprechpartnerin für Patienten und übe eine verantwortungsvolle Tätigkeit aus. Die fehlende Anerkennung für ihre neue Berufsgruppe sei keine Folge einer Abneigung (anders als bei als eigennützig wahrgenommenen Berufen), sondern beruhe darauf, dass die meisten Menschen eine allenfalls diffuse Vorstellung von ihrem Arbeitsalltag hätten.
Auch wenn es im Ergebnis nichts änderte, wies der Senat darauf hin, dass das LG auch bezüglich des Einkommensunterschieds bei einem früheren Zeitpunkt hätte ansetzen müssen: Relevant sei hier der Betrag, den sie zunächst mit ihrer neuen Teilzeittätigkeit verdient habe. Die damals bestehende Differenz von 13% zuungunsten der Kauffrau bewege sich aber noch im akzeptablen Rahmen.