OLG Celle: Haft für Syrer wegen Werbens für Islamischen Staat durch Posten von Propagandamaterial

Ein Syrer mit palästinensischer Volkszugehörigkeit muss für ein Jahr und sechs Monate ins Gefängnis, weil er Propagandamaterial des Islamischen Staats (IS) im Internet gepostet hat. Das Oberlandesgericht Celle verurteilte den zur Tatzeit 32-Jährigen am 21.11.2019 zu der Gesamtfreiheitsstrafe wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie wegen Gewaltdarstellung.

Keine Bewährung

Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam laut OLG unter anderem deshalb nicht in Betracht, weil im Rahmen der Hauptverhandlung nicht feststellbar gewesen sei, dass der Mann sich von seinen Überzeugungen distanziert habe oder die Taten bereue. Es könne deshalb auch nicht erwartet werden, dass der Angeklagte künftig keine weiteren Straftaten begehen werde.

Angeklagter seit Ende 2018 in Untersuchungshaft

Dem Angeklagten wurde unter anderem vorgeworfen, im Jahr 2018 diverses Propagandamaterial des IS veröffentlicht und dazu aufgefordert zu haben, dessen Kampf zu unterstützen. Wegen dieser Vorwürfe war der Angeklagte am 17.12.2018 festgenommen worden. Er befindet sich seither in Untersuchungshaft. Auf dem sichergestellten Smartphone des Angeklagten befanden sich unter anderem 50.000 Foto- und Filmdateien, bei denen es sich teilweise um Propagandamaterial von IS-Medienstellen handelt und auf denen unter anderem Folterungen, Enthauptungen sowie Sprengstoffanschläge gezeigt werden.

Angeklagter will Postings noch nie gesehen haben

Das OLG sah es aufgrund der an 14 Verhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Angeklagte im März 2018 auf seinem öffentlich einsehbaren Google+-Profil unter anderem eine Bildcollage gepostet hat, die eine Hand mit einem Messer vor der US-amerikanischen Flagge zeigt und mit dem Aufruf überschrieben ist: "Reply the call and stab them" ("Anworte dem Ruf und erstecht sie"). Dieses Posting sei von dem Angeklagten in arabischer Sprache mit dem Kommentar versehen worden: "Wir werden siegen trotz Wunden und Traurigkeit, denn es ist ein Versprechen vom Gott aller Götter". Nach den weiteren Feststellungen des OLG hat der Angeklagte außerdem ein Foto gepostet, das die Enthauptung eines Menschen mit einem Messer zeigt, und dieses mit den Worten kommentiert: "So pflegen die Gefährten Mohammeds die Kehlen durchzuschneiden als Tat, die sie näher an Gott bringt." In der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte zu den Vorwürfen geschwiegen und lediglich erklärt, die genannten Bilder zuvor noch nie gesehen zu haben. Die Verteidigung des Angeklagten hat argumentiert, es sei nicht sicher feststellbar, dass die Postings vom Angeklagten selbst stammten und deshalb auf einen Freispruch plädiert.

Staatsanwaltschaft beantragte zwei Jahre und zehn Monate Haft

Die Generalstaatsanwaltschaft sah den Tatnachweis demgegenüber als geführt an und wertete die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten als "geistige Brandstiftung". Die besondere Gefährlichkeit der Postings liege vor allem darin, dass die Verbreitung über das Internet grenzenlos sei und vom Angeklagten nicht mehr kontrolliert – vor allem nicht mehr rückgängig gemacht – werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte deshalb beantragt, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gegen den Angeklagten zu verhängen.

OLG sah keine Anhaltspunkte für fehlende Urheberschaft des Angeklagten

Das OLG war davon überzeugt, dass die Postings – die einen eindeutigen Bezug zum IS aufwiesen – vom Angeklagten selbst stammten. Für die theoretisch denkbare Möglichkeit, dass dessen Smartphone von einem Dritten unbefugt und ohne Wissen des Angeklagten für die Postings genutzt worden sei, bestünden keine Anhaltspunkte. Die Botschaft der geposteten Bilder und die dazu eingestellten Kommentare des Angeklagten enthielten unmissverständlich die Aufforderung, den Kampf des IS zu unterstützen und Anschläge nach dem Vorbild bereits begangener Terrorakte auszuführen. Aufgrund eines vom OLG verkündeten neuen Haftbefehls bleibt der Angeklagte zunächst weiterhin in Haft.

Revision möglich

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Sie kann von dem Angeklagten mit der Revision angegriffen werden.

OLG Celle, Urteil vom 21.11.2019

Redaktion beck-aktuell, 21. November 2019.

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