Widersprüchliches Testament
Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Dies lautete: "Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Erstversterbende vermacht dem überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlaß den Nießbrauch auf lebenszeit. Der einzige Erbe nach dem Längstlebenden von uns ist unser Sohn A. Das Haus und Guthabenbeträge auf der Bank und Sparkonten vorweg erhalten soll." Es folgen das Datum und die Unterschriften.
Nach dem Tod ihres Ehemanns beantragte die Frau beim Amtsgericht Walsrode die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin. Die Nachlassrichterin, eine Richterin auf Probe, wies sie darauf hin, dass mittlerweile ihr Sohn beantragt habe, als Erbe des Erbes des Hauses und der Guthaben ausgewiesen zu werden. Die Mutter antwortete darauf, dass man den Erbschein bitte auf ihren Sohn ausstellen solle. Dieser werde sich um sie kümmern und man sei sich wegen des Geldes einig geworden. Daraufhin wurde ein gemeinsamer Erbschein für beide Beteiligten ausgestellt. Danach war die Mutter Erbin "mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank" und der Sohn Erbe von Grundstück und Geld. Das Grundbuchamt Walsrode bat um Einziehung. Die Richterin kam dem nach und erließ im Anschluss einen neuen gemeinschaftlichen Erbschein mit Erbquoten von 50%. Auf die Beschwerde des Sohns zog ein anderer Proberichter diesen ebenfalls ein. Im Rahmen seiner Abhilfeentscheidung äußerte er die Ansicht, dass die Mutter Alleinerbin geworden sei und die Zuwendungen an den Sohn – trotz der Tatsache, dass diese den Großteil des Erbes ausmachten – ein Vorausvermächtnis darstellten. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos, klärte aber die Situation.
Grob fehlerhaft
Die Celler Richter bestätigten die Einziehung der Erbscheine durch das Amtsgericht. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass die Mutter ersichtlich an ihrem Antrag nicht festgehalten habe. Nach vorläufiger Prüfung verhindere das Testament nicht die Erteilung eines Erbscheins an ihr Kind – wenn der Mann dies beantrage.
Kritik an Praxis in Niedersachsen und Richtern
Mit Blick auf das bisherige Verfahren äußerte das Oberlandesgericht seine Kritik in aller Deutlichkeit. Die weitgehende Übertragung von Erbsachen auf die Rechtspfleger in Niedersachsen sei nach ihrer Ansicht mitursächlich dafür, dass die wenigen – schwierigen – für Richter verbleibenden Nachlasssachen auf unerfahrene Kollegen übertragen würden. Die hier beteiligten Proberichter kanzelten sie schon im Leitsatz der Entscheidung mit den Worten ab, dass es ihnen "jedenfalls im konkreten Fall an Grundkenntnissen des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts ebenso zu fehlen scheint wie an der Bereitschaft, sich diese Kenntnisse zu verschaffen". Sie untermauerten dies unter anderem mit Hinweis darauf, dass die Beteiligten niemals einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt hätten, der Grundsatz der Universalrechtsnachfolge nach § 1922 I BGB nicht beachtet worden sei und im Übrigen keiner der Beschlüsse ein auch nur halbwegs vollständiges Rubrum aufweise.