Notarielles Nachlassverzeichnis darf nicht allein auf Angaben des Erben beruhen

Pflichtteilsberechtigte haben gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Sie können auch verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Welche Pflichten den Notar hierbei treffen, hat das Oberlandesgericht Celle konkretisiert. Es stellt unter anderem klar, dass der Notar sich bei Erstellung des Verzeichnisses nicht allein auf die Angaben des Erben verlassen darf.

Notar unterlässt eigene Ermittlungen

In zwei Fällen, über die das OLG Celle zu entscheiden hatten, stellte sich die Frage, welche Ermittlungen der Notar bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses durchführen muss. Im ersten Fall hatte der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Sein pflichtteilsberechtigter Sohn verlangte von ihr – seiner Stiefmutter – ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein ihm von einem Notar im Auftrag der Erbin übergebenes Verzeichnis hielt er für nicht ausreichend, weil der Notar sich teilweise nur auf die Angaben der Erbin verlassen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt habe.

Neues Nachlassverzeichnis zu erstellen

Das OLG Celle hat ihm – wie zuvor bereits das Landgericht Hannover – Recht gegeben und die Erbin zur Vorlage eines neuen notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Ein notarielles Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Deshalb müsse der Notar den Bestand des Nachlasses eigenständig ermitteln. Dabei habe er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein Pflichtteilsberechtigter allgemein für erforderlich halten würde. Diesen Anforderungen sei der Notar bislang nicht gerecht geworden, so das OLG. Zu Bankguthaben, Wertpapierdepots und möglichen Steuerrückerstattungen hätte er selbst bei den in Betracht kommenden Banken und dem zuständigen Finanzamt nachfragen müssen. Unterlagen des Erblassers hätte er nach Anhaltspunkten für weitere Vermögensgegenstände durchsehen und auch den Inhalt eines Bankschließfachs selbst sichten müssen.

Schenkungen des Erblassers nicht aufgeklärt

Schenkungen, die der Erblasser vor seinem Tod vorgenommen hatte, habe der Notar nicht genügend aufgeklärt. Auch sonst seien verschiedene Angaben in dem Nachlassverzeichnis unvollständig. Abschließend stellte das OLG das Recht des Klägers fest, bei der Aufstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden.

In zweitem Fall wurden mehrere Konten nicht aufgeführt

Im zweiten Fall hatte die verstorbene Mutter ihren Sohn zum alleinigen Erben eingesetzt. Die pflichtteilsberechtigte Tochter verlangte von diesem ein notarielles Nachlassverzeichnis. In dieses Verzeichnis nahm der Notar lediglich auf Angaben des Sohnes hin auf, dass nur zwei Bankkonten mit näher bezeichneten Guthaben vorhanden seien und der Sohn von seiner Mutter vor deren Tod eine Schenkung in Höhe von 50.000 Euro erhalten habe. Tatsächlich existierten aber zumindest vier weitere Konten bei derselben Bank, von denen die Tochter erst später Kenntnis erlangte. Sie verlangte deshalb die Vorlage eines neuen Nachlassverzeichnisses.

Notar muss eigene Nachforschungen anstellen

Das LG Hannover hatte die Klage zunächst abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben beide Geschwister den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das OLG Celle die Rechtslage mit ihnen erörtert und der Sohn seine Schwester ermächtigt hatte, selbst Auskünfte bei der Bank einzuholen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das OLG beiden Geschwistern gleichermaßen auf. Zur Begründung führte es an, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis zwar unzureichend sei, weil der Notar sich nur auf die Angaben des Sohnes verlassen und keine eigenen Nachforschungen angestellt hatte. Zumindest hätte er von sich aus bei der ihm bekannten Bank nach weiteren Konten nachfragen müssen.

Konten auf auffällige Bewegungen hin zu überprüfen

Allerdings seien diese Konten der Schwester zwischenzeitlich bekannt gewesen. Zudem habe sie mit ihrer Klage Ermittlungen des Notars dazu erreichen wollen, ob sich aus Kontobewegungen Hinweise auf Schenkungen ergäben. Dieses Anliegen greife zu weit. Der Notar sei zwar möglicherweise verpflichtet gewesen, Kontoauszüge im Hinblick auf angegebene Verwendungszecke oder Auffälligkeiten zu überprüfen. Er hätte solche Auffälligkeiten aber nicht inhaltlich daraufhin bewerten müssen, ob sie Hinweise auf Schenkungen enthielten. Abschließend wies das OLG darauf hin, dass sich ein Notar seinen Gebührenanspruch erst mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses "verdient" habe.

OLG Celle, Beschluss vom 25.03.2021 - 6 U 74/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Mai 2021.