Unbegleitete Probefahrten bergen Gefahr des Eigentumsverlusts

Wer einem Kaufinteressenten einen Pkw für eine unbegleitete Probefahrt überlässt, riskiert im schlimmsten Fall, dass der vermeintliche Interessent das Fahrzeug einer anderen Person wirksam verkauft und übereignet. Hierauf weist das Oberlandesgericht Celle hin. Eine Ortungsmöglichkeit des Fahrzeugs durch SIM-Karten sei nicht ausreichend, um ein den gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten verhinderndes Abhandenkommen des Kfz zu begründen, stellt das Gericht außerdem klar.

Getäuschtem Käufer steht Erlös aus Pkw-Verkauf zu

Ein Autohaus gab einem angeblichen Kaufinteressenten einen Audi Q5 für eine einstündige Probefahrt. Der Interessent, der falsche Personalien angegeben hatte, kehrte nicht zurück. Stattdessen inserierte er das Fahrzeug bei eBay und verkaufte es schließlich für 31.000 Euro in bar. Bei dem Verkauf übergab seine Frau dem Käufer gefälschte Fahrzeugpapiere. Der Käufer übergab das Fahrzeug zwei Wochen später der Polizei, die es dem Autohaus zurückgab. Dieses verkaufte es anschließend für 35.000 Euro. Der getäuschte Käufer verlangt diesen Erlös heraus – zu Recht, wie das OLG Celle entschied.

Käufer ist laut OLG Eigentümer des Pkw geworden

Denn der Käufer habe das Eigentum wirksam von dem "Betrüger" erlangt, begründet das OLG seine Entscheidung. Zwar könne grundsätzlich nur der Eigentümer wirksam über eine Sache verfügen. Übergibt ein Nichtberechtigter die Kaufsache aber beim Verkauf an den Käufer, könne dieser auch dann Eigentümer werden, wenn die Sache tatsächlich nicht dem Verkäufer gehörte. Ein solcher gutgläubiger Erwerb von einem Nichtberechtigten scheide zwar aus, wenn die Kaufsache dem wahren Eigentümer gestohlen wurde oder ihm sonst abhandengekommen ist. Hier habe das Autohaus den Wagen aber freiwillig für eine unbegleitete einstündige Probefahrt herausgegeben. Damit habe es den Besitz an dem Pkw freiwillig aufgegeben, auch wenn das Auto über eingebaute SIM-Karten geortet werden konnte. Diese Ortungsmöglichkeit habe einer Begleitung bei der Probefahrt schon deshalb nicht gleichgestanden, weil eine Ortung nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung über die Polizei und den Hersteller möglich war. Sie habe einen gutgläubigen Erwerb des Wagens daher nicht ausgeschlossen.

Keine grob fahrlässige Unkenntnis von fehlender Berechtigung

Darüber hinaus scheide ein gutgläubiger Erwerb zwar auch dann aus, wenn der Käufer grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer war. Bei dem Kauf eines Kraftfahrzeugs müsse er sich zumindest den Kraftfahrzeugbrief beziehungsweise die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Die Zulassungsbescheinigung sei hier aber so professionell gefälscht gewesen, dass der Käufer die Fälschung nicht habe erkennen müssen. Der Verkauf eines gebrauchten Pkw auf der Straße gegen Bargeld sei auch nicht unüblich und habe keinen Verdacht erwecken müssen, meint das OLG. Dies gelte umso mehr, als der Kaufpreis nicht auffallend günstig gewesen sei. Dass der Verkäufer den Zweitschlüssel nicht mit übergeben konnte, habe er nachvollziehbar damit erklärt, dass sich der Käufer erheblich verspätet hatte, er selbst nicht habe warten können und vergessen habe, seiner Frau den Zweitschlüssel zu geben.

OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 - 7 U 974/21

Redaktion beck-aktuell, 20. Oktober 2022.

Mehr zum Thema