OLG Celle: Haf­tung für Auf­fahr­un­fall vor Ampel nach Um­schal­ten von Grün auf Gelb

StVO §§ 1 II, 4 II 2, 37 II Nr. 1 Satz 5

Das Ober­lan­des­ge­richt Celle hat den Sorg­falts­maß­stab beim Ab­brem­sen an­läss­lich des Um­sprin­gens einer Ampel von Grün- auf Gelb­licht un­ter­sucht, und einem Nach­fah­ren­den die volle Haf­tung für einen Auf­fahr­un­fall zu­ge­wie­sen, nach­dem der Vor­aus­fah­ren­de bei er­schei­nen­dem Gelb­licht ab­rupt ge­bremst hatte.

OLG Celle, Be­schluss vom 07.05.2018 - 14 U 60/18 (LG Han­no­ver), BeckRS 2018, 10954

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Ott­heinz Kääb, LL.M., Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht und für Ver­si­che­rungs­recht,
Rechts­an­wäl­te Kääb Bür­ner Kie­ner & Kol­le­gen, Mün­chen

Aus beck-fach­dienst Stra­ßen­ver­kehrs­recht 12/2018 vom 21.06.2018

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Stra­ßen­ver­kehrs­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Stra­ßen­ver­kehrs­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Stra­ßen­ver­kehrs­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

Sach­ver­halt

Der Klä­ger be­gehrt Scha­den­er­satz. Er war an einer am­pel­ge­re­gel­ten Kreu­zung auf das vor ihm fah­ren­de Fahr­zeug auf­ge­fah­ren, weil des­sen Fah­rer scharf ge­bremst hatte. An­lass der Brem­sung war das Um­schal­ten der Ampel von Grün auf Gelb. Der Ver­kehrs­teil­neh­mer kam 1,5 Meter hin­ter der Hal­te­li­nie zum Still­stand.

Das Land­ge­richt hatte in ers­ter In­stanz eine Be­weis­auf­nah­me durch­ge­führt und ins­be­son­de­re ein ver­kehrs­ana­ly­ti­sches Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten er­holt. An­schlie­ßend wurde die Klage ab­ge­wie­sen. Der Klä­ger legte Be­ru­fung ein, der der zu­stän­di­ge Haft­pflicht­se­nat in dem hier vor­ge­stell­ten Hin­weis­be­schluss keine Er­folgs­aus­sich­ten ein­räumt.

Recht­li­che Wer­tung

Der Klä­ger habe gegen §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1, 37 Abs. 2 Satz 1 StVO ver­sto­ßen, wäh­rend den Be­klag­ten kein Vor­wurf tref­fe, so das OLG. Die Am­pel­an­la­ge sei von Wei­tem gut ein­seh­bar. Beim Zu­fah­ren auf eine Ampel müsse immer mit einem Um­schal­ten von Grün auf Gelb und damit mit einem «plötz­li­chen, ab­rup­ten» Ab­brem­sen ge­rech­net wer­den.

Der Be­klag­te habe es hier ge­ra­de noch ge­schafft, sein Fahr­zeug vor dem ei­gent­li­chen Kreu­zungs­be­reich an­zu­hal­ten. Auch der Klä­ger hätte die Pflicht ge­habt, vor der Ampel an­zu­hal­ten und hätte dem­entspre­chend ab­brem­sen müs­sen.

Schal­tet eine Kreu­zungs­am­pel von grün auf gelb, so muss ein her­an­kom­men­der Kraft­fah­rer gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO bis zum Still­stand ab­brem­sen, so­lan­ge ihm ein An­hal­ten vor dem Kreu­zungs­be­reich noch mög­lich ist. Der Kreu­zungs­be­reich in die­sem Sinne be­ginnt nicht an einer etwa vor­han­de­nen Hal­te­li­nie, son­dern erst dort, wo sich die Fahr­spu­ren der Ge­ra­de­aus­fah­ren­den mit den­je­ni­gen der Ab­bie­gen­den kreu­zen.

Der Füh­rer eines Fahr­zeug müsse damit rech­nen, dass das vor ihm fah­ren­de Fahr­zeug bei der An­nä­he­rung an eine Ampel plötz­lich ab­rupt bremst, weil die Ampel von grün auf gelb um­springt. Komme es vor einer Ampel zu einem Auf­fahr­un­fall, weil der Vor­aus­fah­ren­de, dem ein An­hal­ten vor dem Kreu­zungs­be­reich noch mög­lich ist, beim Um­schal­ten der Ampel von grün auf gelb plötz­lich ab­rupt bremst, so komme eine Al­lein­haf­tung des Auf­fah­ren­den, für des­sen un­fall­ur­säch­li­ches Ver­schul­den der Be­weis des ers­ten An­scheins spricht, in Be­tracht.

Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung ist für die Pra­xis sehr we­sent­lich. Auf die Ampel und deren ört­li­che Lage kommt es nicht an, son­dern auf den Schutz­be­reich der Kreu­zung. Auf mög­li­che Un­auf­merk­sam­kei­ten nach­fol­gen­der Kraft­fah­rer braucht der Vor­anfah­ren­de keine Rück­sicht zu neh­men. Der «Vor­de­re» muss brem­sen, so­lan­ge sein An­hal­te­weg spä­tes­tens bis zum Kreu­zungs­be­reich aus­reicht.

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2018.

Mehr zum Thema