OLG Celle: Haftung eines landwirtschaftlichen Gespanns mit Überbreite aus Betriebsgefahr

StVG §§ 7, 17; StVO §§ 1 II, 2 II, 3 I 5

Kommt es im Begegnungsverkehr auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen bei Dunkelheit zu einer Kollision zwischen einem landwirtschaftlichen Gespann mit Überbreite, das so weit nach rechts gesteuert wird, wie es tatsächlich möglich ist, und einem Pkw, der die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschreitet, so tritt die Haftung aus Betriebsgefahr für das landwirtschaftliche Gespann nicht zurück, sondern fließt mit 30% in die Haftungsquote gemäß § 17 Abs. 1 StVG ein. Dies hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.

OLG Celle, Urteil vom 04.03.2020 - 14 U 182/19 (LG Verden), BeckRS 2020, 2862

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 6/2020 vom 26.03.2020

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Sachverhalt

Der Sohn des Klägers war mit dem Fahrzeug des Klägers unterwegs. Es handelte sich um ein landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite von 2,95 Metern und einer Masse von 18 Tonnen. Der Sohn fuhr es nachts auf einer 4,95 Meter breiten Gemeindestraße ohne Fahrbahnmarkierungen mit einer Geschwindigkeit zwischen 25 und 35 km/h. Der Pkw des Beklagten kam ihm entgegen. Es fuhr mit einer Geschwindigkeit zwischen 75 und 85 km/h. Der Sohn des Klägers lenkte das Gespann ganz nach rechts, so dass er mit den Rädern wohl sogar schon außerhalb der geteerten Fahrbahndecke fuhr. Das Fahrzeug des Beklagten fuhr nicht äußerst rechts und benutzte möglicherweise Teile der Fahrbahnhälfte des landwirtschaftlichen Zuges.

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, die er in erster Instanz zu 50% zugesprochen bekam. Mit der Berufung griff er die Haftungsquote an, um 100% zu erhalten.

Rechtliche Wertung

Mit der Berufung hat der Kläger teilweise Erfolg. Das OLG kommt zugunsten des Klägers zu einer Haftungsquote 70:30 und folgt der landgerichtlich angenommenen Quote von 50:50 somit nicht.

Der Unfall sei von der Fahrerin des Beklagten-Pkw verschuldet worden, da diese nicht äußerst rechts gefahren und vor allem mit einer für die örtlichen Verhältnisse zu hohen Geschwindigkeit gefahren sei.

Den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs treffe zwar keinerlei Verschulden, allerdings könne die Betriebsgefahr nicht unberücksichtigt bleiben angesichts der Überbreite und des Gewichts des Zuges. Im Übrigen müsse auch von einer überhöhten Betriebsgefahr ausgegangen werden, sodass es also zu der Haftungsquote 70:30 komme.

Praxishinweis

Unfälle dieser Art sind zwar nicht häufig. Der Haftpflichtsenat des Oberlandesgerichts wägt aber die beiderseitigen Verursachens- und Verschuldensabteile sehr sorgfältig gegeneinander ab. Für die gesammelte Rechtsprechung der Abwägung von Umständen, die im Rahmen des § 17 StVG eine Rolle spielen, ist diese Entscheidung besonders zu beachten.

Redaktion beck-aktuell, 31. März 2020.

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