Geplatzte VW-Übernahme: Porsches Informationsverhalten war nicht verwerflich
Lorem Ipsum
© Moritz Frankenberg / dpa

Im Streit um milliardenschwere Schadensersatzforderungen von Anlegern nach der geplatzten VW-Übernahme durch Porsche hat das Oberlandesgericht Celle im Kapitalanleger-Musterverfahren entschieden, dass das Informationsverhalten von Porsche nicht grob unrichtig und nicht verwerflich war. Schadensersatzansprüche kommen danach nicht in Betracht.

Anleger machen Milliardenverluste geltend

Die Porsche SE hatte ab dem Jahr 2005 ihre Beteiligung an der Volkswagen AG ausgebaut und versucht, diese zu übernehmen. Nachdem sie am 26.10.2008 ihre Absicht mitgeteilt hatte, diese Beteiligung bei stimmigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Laufe des Jahres 2009 auf über 75% zu erhöhen, stieg der Kurs der Volkswagen-Stammaktie zeitweilig auf das fünffache seines vorherigen Wertes. Anleger, die auf fallende Kurse gesetzt hatten, erlitten hierdurch – nach ihrem Vortrag – Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Ersatz hierfür haben sie zuletzt vor dem Landgericht Hannover eingeklagt. Das LG setze diese Verfahren aus und legte dem Oberlandesgericht Celle verschiedene Vorfragen zur Entscheidung vor.

OLG: Informationsverhalten von Porsche war nicht verwerflich

Das OLG hat die Feststellungsziele überwiegend zurückgewiesen und damit den Beklagten – der Porsche SE und der Volkswagen AG – Recht gegeben. Die Kläger hätten ihre Ansprüche zum einen darauf gestützt, dass Porsche und Volkswagen den Kapitalmarkt spätestens ab März 2008 genauer über die Übernahmeabsicht und den Abschluss von Aktienoptionen zur Absicherung und Finanzierung der beabsichtigten Übernahme hätten aufklären müssen. Die Voraussetzungen dieser Ansprüche liegen laut OLG allerdings nicht vor. Es sei zumindest nicht grob unrichtig und nicht verwerflich gewesen, dass Porsche mögliche weitergehende Ziele nicht veröffentlicht hatte. Dies ergebe sich aus Folgendem: Porsche habe mitgeteilt, seinen Anteil an Volkswagen im Laufe des Jahres 2008 auf über 50% aufstocken zu wollen. Soweit Porsche die Absicht dementiert habe, insgesamt mehr als 75% der Aktien erwerben und einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schließen zu wollen, habe es dies damit erklärt, dass dem die "Realitäten in der Aktionärsstruktur" entgegenstünden. Tatsächlich hätte ein Erwerb von 75% der Aktien aufgrund von Besonderheiten des sogenannten VW-Gesetzes den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nicht ermöglicht. Auch sei die Finanzierung eines derart weitgehenden Anteilserwerbs noch nicht gesichert gewesen.

Kapitalmarkt kannte umfänglichen Optionen-Besitz Porsches

Ferner habe Porsche seine Beteiligung an Volkswagen im Einklang mit den gesetzlichen Meldepflichten veröffentlicht. Die von Porsche abgeschlossenen Aktienoptionen, die weitere Aktienkäufe absichern und finanzieren sollten, seien nach damaliger Rechtslage nicht offen zu legen gewesen. Dem Kapitalmarkt sei aber ohnehin bekannt gewesen, dass Porsche solche Optionen in einem großen Umfang besaß. Es sei auch bekannt gewesen, dass Porsche die dargestellte Sonderregelung des VW-Gesetzes politisch bekämpfte. Hieraus habe unter anderem die Wirtschaftspresse auch ohne eine ausdrückliche Bestätigung geschlussfolgert, dass Porsche seinen Anteil an Volkswagen auf deutlich mehr als 50% ausbauen wolle.

Keine Anhaltspunkte für drohende Insolvenz Porsches ohne VW-Kursexplosion

Die Kläger hätten ihre Ersatzansprüche weiter darauf gestützt, dass Porsche schließlich am 26.10.2008 seine Übernahme- und Beherrschungsabsicht mitgeteilt hatte. Sie seien der Auffassung, dass Porsche zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr gesehen hätte, diese Absichten umzusetzen. Die Mitteilung habe allein dem Zweck gedient, den Kurs der Volkswagen-Aktie explodieren zu lassen, weil ansonsten die Insolvenz gedroht hätte. Auch diese Pressemitteilung war laut OLG nicht unrichtig und nicht verwerflich. Die in der Mitteilung dargestellten Umstände hätten zugetroffen. Anhaltspunkte für eine konkret drohende Insolvenz lagen dem OLG zufolge nicht vor. Auch sonst habe Porsche nicht annehmen müssen, dass die beabsichtigte Übernahme nach damaligem Stand gescheitert gewesen sei. Porsche habe die Mitteilung ausdrücklich unter den Vorbehalt passender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gestellt. Tatsächlich habe Porsche den mitgeteilten Übernahmeplan in der Folgezeit weiter verfolgt und erst nach einem Vorstandswechsel Mitte 2009 aufgegeben, nachdem sich auch Aussichten auf eine Änderung des VW-Gesetzes zerschlagen hatten.

Keine Haftung von VW

Volkswagen haftet laut OLG bereits deshalb nicht, weil sein Vorstand keine Kenntnis von den Übernahmeplänen hatte und sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, die diese Kenntnis aus ihrer Tätigkeit bei Porsche hatten, zur Verschwiegenheit verpflichtet waren.

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2022.