Reitende Richterin ersetzt keinen Sachverständigen
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Eine Kammervorsitzende am LG Hannover meinte, einen Streit über den Bau einer Reitanlage aufgrund eigener Sachkunde beurteilen* zu können, schließlich reite sie seit 41 Jahren. Das reicht leider nicht, sagt nun das OLG.

Wenn ein Gericht eine streitige Tatsache nicht selbst beurteilen kann, soll es auf sachkundige Dritte zurückgreifen. Und das tun Richterinnen und Richter in der Regel auch - selbst wenn sie vielleicht meinen, eine fundierte Meinung zum Thema zu haben. Dass dies immer ein guter Rat ist, zeigt nun eine Berufungsentscheidung des OLG Celle, das ein Urteil aus Hannover korrigieren musste (Urteil vom 06.03.2024 – 14 U 81/23).

Dort stritten die Parteien über einen Werklohnanspruch für den Bau einer Reitanlage. Dabei ging es um bauliche Details, die Reiter plagen können: unzureichende Reitsandqualität (schadet der Trittsicherheit des Pferdes) und die unterlassene Absenkung eines Gullydeckels (nicht ganz ungefährlich für Mensch und Tier). Tatsächlich hatte die 17. Zivilkammer des LG Hannover zu diesen Fragen auch einen Sachverständigen bestellt. Die Frage der Trittsicherheit meinte die Vorsitzende jedoch aufgrund ihrer eigenen mehrjährigen Reiterfahrung selbst - und besser als der Sachverständige - beurteilen zu können.

Richterin testet Platz selbst

Sie beritt dazu den Platz mit ihrem eigenen Pferd, das auf den Namen Hippie hört, wie die Pressemitteilung des Gerichts seinerzeit der guten Ordnung halber anfügte. Hierbei stellten weder Hippie noch die Richterin Mängel am Platz fest, was sich auch im Urteil niederschlug - der Werklohnforderung wurde überwiegend stattgegeben (Urteil vom 04.05.2023 – 17 O 120/21). In der Pressemitteilung hob das Gericht dann noch einmal die Sachkunde der Richterin besonders hervor: "Dabei konnte die Zivilkammer auf die Sachkunde der Kammervorsitzenden zurückgreifen, die seit 41 Jahren reitet, verschiedene Prüfungen absolviert hat und über verschiedene Abzeichen verfügt." Sogar ein Foto der Vorsitzenden in Aktion auf dem streitgegenständlichen Reitplatz wurde dazu veröffentlicht (s. Artikelbild).

Dies alles vermochte das mit der Berufung befasste OLG Celle allerdings nicht zu überzeugen: "Soweit das Landgericht meint, hinsichtlich der Beurteilung der Trittfestigkeit des Sandes eine überwiegende Sachkunde zu haben, ist eine solche Sachkunde für den Reitplatzbau – anders als möglicherweise für das Reiten von Pferden – in keiner Weise dargelegt oder ersichtlich" heißt es im Urteil aus dem März. Dazu ruft das Gericht noch einmal die Grundlagen einer Entscheidung aufgrund eigener Sachkunde in Erinnerung: "Will ein Richter – wie hier – von den Ergebnissen eines Sachverständigengutachtens abweichen, so muss er das begründen und die Begründung muss erkennen lassen, dass die abweichende Beurteilung nicht durch einen Mangel von Sachkunde beeinflusst ist (...)."

Das OLG änderte daher die Entscheidung der Hannoveraner Kammer teilweise ab und wies die Klage auf Werklohnforderung ab.

*Anm. d. Red.: Hier stand zunächst, die Richterin habe gemeint, den Streit aufgrund eigener Sachkunde entscheiden zu können. Dies haben wir präzisiert, es handelte sich um eine Kammerentscheidung. (pl, 18.04.2024, 16:30 Uhr)

OLG Celle, Urteil vom 06.03.2024 - 14 U 81/23

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 5. April 2024.