Parteiverrat: Wenn der Mediator plötzlich Anwalt der Gegenseite ist

Nach einer Ehekrise bot sich ein Anwalt als Mediator an, trat danach aber als Rechtsbeistand des Ehemanns auf. Das ist nicht nur eine Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten, sondern auch eine Straftat. Das OLG Celle hat eine Verwarnung und eine Auflage von 4.000 Euro bestätigt.

Ein Parteiverrat nach § 356 Abs. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn ein Anwalt erst als neutraler Mediator, nach gescheiterten Verständigungen aber für eine der beiden Parteien als Prozessbevollmächtigter auftritt. Das hat das OLG Celle entschieden und die Revision gegen ein Urteil des LG Hannover zurückgewiesen. Keine Einwände hatten die Celler Richterinnen und Richter auch gegen einen neuen Bewährungsbeschluss, mit dem das LG dem Anwalt zusätzlich die Zahlung von 4.000 Euro an die Landeskasse auferlegte (Beschluss vom 26.08.2025 – 2 ORs 96/25).

Im Oktober 2018 kriselte es in der Ehe einer damals schwangeren Frau enorm. Sie musste die Ehewohnung verlassen und bemühte sich danach, noch einige Gegenstände aus der Wohnung zu holen. Um das abzuwickeln, stellte sich ein Rechtsanwalt als Mediator vor und bot ihr an, zwischen ihr und dem Ehemann als "allseitiger" und "unabhängiger" Mediator einen konstruktiven Dialog zu führen – der Ehemann würde sich um die finanzielle Seite kümmern. Nach dem 90-minütigen Gespräch kam es jedoch zu keiner Einigung, der Ehemann bestand auf eine "Gesamtlösung" und stimmte einer Abholung der Sachen nicht zu. Im späteren Scheidungsverfahren erklärte der ehemalige Mediator im Januar 2021 nun seine Bevollmächtigung für den Ehemann und beantragte Akteneinsicht. Nach einer Rüge durch die Rechtsanwaltskammer legte er sein Mandat nieder.

Das AG Springe verwarnte ihn wegen Parteiverrats und behielt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 130 Euro vor. Daneben hat es in einem Bewährungsbeschluss die Bewährungszeit auf ein Jahr festgesetzt und den Anwalt angewiesen, jeden Wohnungs- oder Aufenthaltswechsel anzuzeigen. Das LG wies die Berufung des Mannes zurück. Gleichzeitig bestimmte es in einem neuen Bewährungsbeschluss zusätzlich, dass der Anwalt 4.000 Euro an die Landeskasse zahlen muss. Die Revision vor dem OLG Celle blieb ohne Erfolg; ebenso seine Beschwerde gegen den landgerichtlichen Bewährungsbeschluss.

Mediator muss neutral bleiben

Der Mediator sei hier unter Verletzung seiner anwaltlichen Pflicht für beide Seiten tätig geworden: Ein Verstoß gegen die ausdrücklich gegenteilig lautende Vorschrift des § 3 Abs. 2 S. 2 MediationsG.  Ein Tätigwerden für beide Seiten widerspreche dem Gebot der Unabhängigkeit und Neutralität eines Mediators "in besonderem Maße". Entsprechend hatte das OLG auch nichts gegen die Verurteilung wegen Parteiverrats (§ 356 Abs. 1 StGB) einzuwenden.

Der 2. Strafsenat des OLG stellt klar, dass die Tätigkeit als Mediator einen Teilbereich der anwaltlichen Tätigkeit betreffe. Daher unterfalle ein Mediator der Strafvorschrift, die einen "Anwalt" oder "Rechtsbeistand" fordere. Sobald ein Mediator "faktisch mit der Vermittlung" betraut werde, genüge das für einen möglichen Parteiverrat. Auf eine etwaige persönliche Beziehung des Rechtsanwalts zu dem Ehemann komme es hier nicht an, weil das die Pflichten gegenüber der Ehefrau nicht berühre, so das OLG.

Auch sei "dieselbe Rechtssache" im Sinne eines Parteiverrats betroffen. Das richte sich nicht nach den geltend gemachten Ansprüchen, sondern danach, ob zumindest teilweise der gleiche Lebenssachverhalt betroffen sei. Hier sei es in beiden Fällen um die häuslichen und ehelichen Beziehungen zwischen den Eheleuten gegangen.

Geldauflage: Verschlechterungsverbot greift nicht

Die Vorinstanz durfte – so der Senat – den Vorsatz des Anwalts aus "naheliegende(n) Schlussfolgerungen" aus der Realisierung des Straftatbestandes selbst ableiten. Es müssten nicht alle denkbaren "Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden". Der Anwalt hatte vorgebracht, er habe sich nach etwa zweieinhalb Jahren und einem Kanzleiwechsel nicht mehr an die vorhergehende Mediation erinnert. Dieses "urteilsfremde Vorbringen" sei, so das Gericht, revisionsrechtlich nicht von Belang.

Auch den neuen Bewährungsbeschluss nickte das OLG ab: Eine Zahlung an die Staatskasse als Teil des Bewährungsbeschlusses sei eine vorhergesehene Rechtsfolge. Sie diene einem gewissen Genugtuungsinteresse an einer fühlbaren finanziellen Belastung des Verwarnten. Höchstrichterlich sei auch bereits geklärt, dass das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO weder direkt noch analog auf die Geldauflage anwendbar sei.

OLG Celle, Beschluss vom 26.08.2025 - 2 ORs 96/25

Redaktion beck-aktuell, tbh, 19. September 2025.

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