NS-Gesundheitspass mit Hakenkreuz gepostet
Die Angeklagte postete auf ihrem privaten Account bei Facebook ein Muster eines "EU-Gesundheitspasses", der ein negatives SARS-CoV-2 Laborergebnis auswies, sowie die Abbildung eines Gesundheitspasses aus der NS-Zeit versehen mit einem Hakenkreuz und dem Textzusatz "Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger". Sowohl das Amtsgericht Osterode am Harz als auch das Landgericht Göttingen sprachen die Angeklagte von dem Vorwurf der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen frei. Strafbar seien nur Handlungen, die im Einzelfall geeignet seien, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation, deren Kennzeichen er verwende, zu erwecken. Bei dem Beitrag der Angeklagten stehe jedoch die Kritik an der Gesundheitspolitik im Vordergrund. Es sei nicht erkennbar, dass sie sich in irgendeiner Weise mit der nationalsozialistischen Ideologie solidarisch erkläre. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Göttingen Revision ein.
OLG: Auslegung durch LG mit Ziel des § 86a StGB nicht vereinbar
Die Revision hatte Erfolg. Das OLG hat das LG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das LG habe zwar das auf dem abgebildeten Gesundheitspass aufgedruckte Hakenkreuz zutreffend als verbotenes Kennzeichen bewertet. Jedoch entspreche die einschränkende Auslegung des Merkmals "Verwenden" in § 86a StGB in diesem Fall nicht der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung. Insbesondere stehe im vorliegenden Fall das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Ziel der Strafnorm, das Kennzeichen aus dem politischen Leben zu verbannen und zu tabuisieren, einer Straflosigkeit entgegen.
Keine optische Distanzierung von NS-Ideologie
Eine Verwendung eines solchen Kennzeichens sei nur dann als straflos zu bewerten, wenn es offensichtlich zum Zweck der Kritik an der Vereinigung oder der dahinterstehenden Ideologie dargestellt werde. Der Bundesgerichtshof habe daher die Straflosigkeit in Fällen angenommen, in denen ein durchgestrichenes oder zerstörtes Kennzeichen genutzt worden sei, um gerade zum Ausdruck zu bringen, dass man sich von einer mit dem Kennzeichen in Verbindung stehenden Organisation oder Ideologie distanziere bzw. diese bekämpfe. Eine solche optische Distanzierung von der NSDAP oder deren Ideologie sei der tatgegenständlichen Abbildung des Hakenkreuzes nicht zu entnehmen. Auch handele es sich bei einem Post bei Facebook grundsätzlich nicht um eine lediglich flüchtige Verwendung des Kennzeichens, zumal auch die Gefahr des Weiterverbreitens bestehe.