Eine Erzieherin hatte ein Mehrfamilienhaus geerbt und eine Anwältin in der Erbangelegenheit eingeschaltet. Später wollte sie diese wegen Pflichtverletzungen in Anspruch nehmen. Aus ihrer Kita kannte sie einen Anwalt, dessen Kanzlei sie schließlich beauftragte. Eine dort zunächst mit dem Fall betraute Anwältin räumte einer Klage keine Erfolgschancen ein. Dann übernahm der Anwalt selbst den Fall und erklärte der Erzieherin, sie bräuchte keine Bedenken zu haben, weil sich der Prozess finanzieren lasse und er ihn unbedingt führen wolle. Das Risiko liege allein bei seiner Kanzlei, sie müsse keine finanziellen Einbußen befürchten.
Die Kanzlei verauslagte zunächst die Kosten für die Klage. In einer Vereinbarung dazu hieß es: "Darüber hinaus wäre die Frage eines Erfolgshonorars zu erörtern, dies ist jedoch standesrechtlich nicht zulässig. Insoweit wird eine Provisionsvereinbarung für einen Geschäftsbesorger vereinbart werden." Kurz darauf vermittelte der Rechtsanwalt der Erzieherin einen Prozessfinanzierungsvertrag mit einem zypriotischen Unternehmen, das als Limited (Ltd.) firmierte, dessen Direktor er selbst und das unter der Anschrift seiner Kanzlei zu erreichen war. Den Vertrag unterschrieb der Generalbevollmächtigte der Firma, ein langjähriger juristischer Mitarbeiter in der Kanzlei, den der Anwalt der Erzieherin auch so vorgestellt hatte.
Prozessfinanzierer lehnt Zahlung ab
Das LG wies die Klage, die nach Abschluss des Finanzierungsvertrags auf über eine Million Euro erweitert worden war, ab. Auch die Berufung und eine anschließende Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH scheiterten. Anschließend kam es zum Streit um noch offene Prozesskosten. Der Prozessfinanzierer weigerte sich, die Kosten zu übernehmen und ließ über einen zypriotischen Anwalt mitteilen, den Rechtsstreit nicht einmal zu kennen.
Die Erzieherin verklagte daher die Kanzlei auf Erstattung und Freistellung von Prozesskosten. Wie schon das LG Potsdam gab auch das OLG Brandenburg der Frau Recht (Urteil vom 24.09.2024 – 6 U 10/23). Anders als das LG sah das OLG aber keine Haftung der Kanzlei wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung aus §§ 611, 675, 280 BGB gegeben. Denn soweit die Erzieherin geltend gemacht habe, sie sei nicht ausreichend über die Prozessrisiken aufgeklärt worden, fehle es jedenfalls an der Kausalität für den Schaden. Aufgrund des abgeschlossenen Prozessfinanzierungsvertrags greife der Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhalten nicht ein.
Haftung als Sachwalterin aus c.i.c.
Laut OLG haftet die Kanzlei aber als Sachwalterin aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB, weil sie als Dritte besonderes Vertrauen in Anspruch genommen habe. Sie habe bei der Erzieherin während des gesamten Mandats den Eindruck erweckt, kein eigenes finanzielles Risiko tragen zu müssen. Aufgrund der Umstände des Vertragsschlusses zur Prozessfinanzierung habe sich die Kanzlei für die Erzieherin als "Garantin der Vertragsdurchführung" dargestellt. Aus ihrer Sicht habe es sich bei der Prozessfinanzierung um ein eigenes Geschäft der Kanzlei gehandelt.
Laut OLG wollte die Erzieherin durch eine Erfolgsvereinbarung ausschließen, für Prozesskosten zu haften. Die Kanzlei habe dann den Prozessfinanzierer, bei dem der Anwalt Direktor und dessen Generalbevollmächtigter Kanzleimitarbeiter sei, als standesrechtlich zulässige Alternative zu einer entsprechenden Vereinbarung mit der Kanzlei empfohlen. Damit sei der Erzieherin zu verstehen gegeben worden, dass eine Freistellung von den Prozesskosten über den Prozessfinanzierer genauso sicher sei wie bei einem Vertragsabschluss mit den Anwälten selbst. Denn aus Sicht der Erzieherin seien Vertragsabschluss und Umsetzung in der Hand der Anwaltssozietät geblieben.