Off-Label-Use von Kontrazeptiva kann beihilfefähig sein
Lorem Ipsum
© thingamajiggs / stock.adobe.com

Kontrazeptiva, die nur zur Empfängnisverhütung arzneimittelrechtlich zugelassen sind, können nach der Sächsischen Beihilfeverordnung auch dann beihilfefähig sein, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26.06.2020 entschieden. Allerdings müsse der therapeutische Nutzen erwiesen sein.

Uterusmyom mit Kontrazeptivum behandelt

Die 1964 geborene Klägerin leidet an einem Uterusmyom mit Hypermenorrhoe, das mit Empfängnisverhütungsmitteln behandelt wurde, die den Wirkstoff Desogestrel enthalten. Unter der Therapie konnten das Myomwachstum gehemmt, die Blutungen auf ein Minimum reduziert und eine alternativ in Betracht zu ziehende Entfernung der Gebärmutter vermieden werden.

Beihilfe unter Verweis auf Off-Label-Use abgelehnt

Der beklagte Freistaat gewährte zunächst Beihilfe, lehnte dies aber 2014 für das neu verordnete Präparat "Jubrele" mit der Begründung ab, das Arzneimittel sei zwar zur Empfängnisverhütung zugelassen, nicht aber zur Therapie der Krankheit der Klägerin. Kontrazeptiva würden außerdem auch von Gesunden verwendet und seien daher der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

BVerwG: Verordnender Arzt kann erforderliche Zweckbestimmung treffen

Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitere der Beihilfeanspruch nicht daran, dass nach der Sächsischen Beihilfeverordnung Aufwendungen für ärztlich verordnete Arzneimittel nur beihilfefähig sind, wenn diese bestimmt sind, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper der Heilung oder Linderung einer Erkrankung zu dienen, erläutert das BVerwG. Diese Zweckbestimmung könne im Einzelfall auch der verordnende Arzt auf der Grundlage seiner fachlichen Bewertung unabhängig von der arzneimittelrechtlichen Zulassung treffen.

Verordnung aus Anlass einer Krankheit erforderlich

Kontrazeptiva seien außerdem nicht deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, weil sie entsprechend einem beihilferechtlichen Ausschlussgrund der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind. Nach einer diesem Ausschlussgrund vorgehenden Sonderregelung in der Sächsischen Beihilfeverordnung könnten empfängnisverhütende Arzneimittel unabhängig vom Alter der Beihilfeberechtigten beihilfefähig sein, wenn sie aus Anlass einer Krankheit verordnet werden.

Therapeutischer Nutzen und damit medizinische Notwendigkeit gegeben

Auch die nach der Beihilfeverordnung weiterhin erforderliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung mit dem Arzneimittel "Jubrele" war laut BVerwG nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz gegeben. Diese habe unter Hinweis auf tatsächliche Ausführungen des Verwaltungsgerichts festgestellt, dass die Wirkungsweise und der Einsatz des Arzneimittels zu der konkreten Krankheitsbehandlung wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht und damit der therapeutische Nutzen erwiesen ist.

BVerwG, Urteil vom 26.06.2020 - 5 C 4.19

Redaktion beck-aktuell, 29. Juni 2020.