Österreich: Verfassungsrichter tritt nach Chat-Leaks zurück

Sprachnachrichten zwischen einem Verfassungsrichter und einem Spitzenjuristen haben den österreichischen Verfassungsgerichtshof erschüttert. Der Präsident des Gerichtes, Christoph Grabenwarter, äußerte sich am Freitag "erschrocken und bestürzt" über die Chats, die den Eindruck von parteipolitischer Befangenheit in konservativen Justizkreisen erweckt hatten. Der betroffene Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter hatte am Donnerstag bekannt gegeben, sich von seiner Funktion zurückzuziehen.

Weibliche Mitglieder des Gerichts herabgewürdigt

Die privaten Textnachrichten zwischen Brandstetter und dem derzeit suspendierten Justizbeamten Christian Pilnacek waren in dieser Woche an Medien gespielt worden. Pilnacek äußerte sich demnach unter anderem abschätzig über weibliche Mitglieder des Verfassungsgerichts, darunter Vizepräsidentin Verena Madner, deren Vater aus dem Benin stammt. Brandstetter wiederum habe Pilnacek Tipps gegeben, um unliebsame Staatsanwälte in die politisch linke Ecke zu rücken, berichtete die Wiener Wochenzeitung "Falter".

Brandstetter gibt Rückzug bekannt

"Herabwürdigende Äußerungen über Menschen aus Gründen ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder auch ihrer beruflichen Tätigkeit haben in einer demokratischen Debatte keinen Platz", sagte Gerichtspräsident Grabenwarter dem Radiosender Ö1. Brandstetter, der bis 2017 für die konservative ÖVP als parteifreier Justizminister gedient hatte, gab seinen Rückzug bekannt, ohne auf den Inhalt der Chats einzugehen. Die heiklen Nachrichten stammen aus Ermittlungsakten, die dem parlamentarischen "Ibiza-Ausschuss" vorgelegt wurden, um mögliche Korruption in der früheren konservativ-rechten Regierung aufzudecken. Die Chats der zwei Spitzenjuristen scheinen jedoch strafrechtlich nicht relevant zu sein.

Redaktion beck-aktuell, 7. Juni 2021 (dpa).