Österreich: Sozialhilfereform von Ex-Kanzler Kurz verfassungswidrig

Die umkämpfte Neuregelung der Sozialleistungen durch die frühere Regierung des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz in Österreich ist in wichtigen Kernpunkten verfassungswidrig. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Wien hob am 17.12.2019 jene Teile der Reform auf, die vor allem Einschnitte für Zuwanderer und Familien mit vielen Kindern enthielten. Die sozialdemokratische SPÖ, die das Gesetz vor den Gerichtshof gebracht hatte, sprach von einem "Erfolg für die Menschlichkeit". Derzeit verhandelt Kurz mit den Grünen über eine Koalition und wird aller Voraussicht nach erneut Kanzler.

Gericht: "Verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien"

Die inzwischen gestürzte Regierung der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ hatte mit der Reform die Höhe der Sozialleistungen an die Sprachkenntnisse der Menschen geknüpft. Wer keine ausreichenden Kenntnisse in Deutsch oder Englisch nachweisen konnte, erhielt zuletzt nur 65% der Sozialhilfe. Zudem wurden die Beträge für Kinder gestaffelt: Während für das erste Kind mehr als 200 Euro vorgesehen waren, gab es ab dem dritten Kind jeweils nur noch etwas mehr als 40 Euro. Der Verfassungsgerichtshof erkannte darin eine "verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien".

SPÖ-Chefin begrüßt Entscheidung

"Der VfGH hat heute wesentliche Bestandteile des Sozialhilfegesetzes aufgehoben. Das ist gut so, denn Sozialleistungen aufgrund der Kinderanzahl einer Familie zu kürzen, ist eine Schande für Österreich", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Zweite Niederlagen binnen weniger Tage

Für die ÖVP-FPÖ-Regierung ist es die zweite Niederlage vor dem VfGH binnen weniger Tage. Erst vergangene Woche kippte der Gerichtshof weite Teile eines "Sicherheitspakets", etwa die vorgesehene verdeckte Erfassung von Daten, die bei der Identifizierung von Autofahrern helfen sollte. Der VfGH prüft zudem noch, ob die Abschaffung des Karfreitag als Feiertag verfassungskonform war.

Koalitionsverhandlungen von ÖVP und Grünen auf Zielgeraden

Das Bündnis zwischen ÖVP und FPÖ war wegen des Skandals um das Ibiza-Video zerbrochen, das den Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Misskredit gebracht hatte. Bei der Parlamentswahl Ende September 2019 waren ÖVP und Grüne die klaren Sieger. Die Koalitionsverhandlungen von ÖVP und den Grünen sind nach Einschätzung von Kurz auf der Zielgeraden.

Redaktion beck-aktuell, 18. Dezember 2019 (dpa).

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