Ös­ter­reich kün­digt Klage gegen deut­sche Pkw-Maut an

Im Streit um die deut­sche Pkw-Maut wird Ös­ter­reich eine Klage vor dem Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Union ein­brin­gen. Die ge­plan­te Ein­füh­rung der Maut sei dis­kri­mi­nie­rend, be­grün­de­te Ver­kehrs­mi­nis­ter Jörg Leicht­fried (SPÖ) am 12.10.2017 in Wien den Schritt. "Das ist eine reine Aus­län­der-Maut", sagte der Mi­nis­ter. Die EU-Kom­mis­si­on habe sich davor ge­drückt, Deutsch­land die Stirn zu bie­ten. Ös­ter­reich gehe nun voran, sagte Leicht­fried. Ein von der Re­gie­rung in Auf­trag ge­ge­be­nes Rechts­gut­ach­ten be­schei­ni­ge gute Aus­sich­ten auf einen Er­folg vor Ge­richt.

 

Klage ver­zö­gert ge­plan­te Ein­füh­rung der Maut nicht

Die Klage hat keine auf­schie­ben­de Wir­kung für die für 2019 ge­plan­te Ein­füh­rung der Maut. Dies müss­te ei­gens be­an­tragt und vor Ge­richt be­wil­ligt wer­den.

Ös­ter­reich sieht eu­ro­päi­sche Grund­wer­te ver­letzt

Ös­ter­reich ist einer der schärfs­ten Kri­ti­ker der deut­schen Maut. Aus Sicht der Re­gie­rung in Wien spricht nichts grund­sätz­lich gegen die Ein­füh­rung eines Maut-Sys­tems – auch Ös­ter­reich selbst ver­fah­re so. Dass am Ende nur Aus­län­der zahl­ten, sei aber nicht mit den Grund­wer­ten der EU ver­ein­bar, hatte Leicht­fried in der Ver­gan­gen­heit mehr­fach be­tont. "Ich kämp­fe auch für eine Eu­ro­päi­sche Union, die eine So­li­dar­ge­mein­schaft ist", so Leicht­fried.

Zu­nächst Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet

Die An­kün­di­gung der Klage fällt in Ös­ter­reich in das Wahl­kampf­fi­na­le. Die Al­pen­re­pu­blik wählt am 15.10.2017 ein neues Par­la­ment. Ende März 2017 hatte der Bun­des­rat in Ber­lin trotz er­heb­li­cher Kri­tik den Weg für die Ein­füh­rung einer Pkw-Maut auf deut­schen Au­to­bah­nen und Bun­des­stra­ßen frei­ge­macht und ein dafür vom Bun­des­tag be­schlos­se­nes Ge­set­zes­pa­ket pas­sie­ren las­sen. Ei­gent­lich war die Maut schon 2015 be­schlos­sen wor­den. Da Brüs­sel kurz dar­auf ein Ver­fah­ren wegen der Ver­let­zung von EU-Recht gegen Deutsch­land er­öff­ne­te, wur­den die Ge­set­ze aber bis­her nicht um­ge­setzt.

Maut als Pres­ti­ge­pro­jekt der CSU

Die EU ließ ihre Ein­wän­de fal­len, nach­dem Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Alex­an­der Dobrindt (CSU) das Mo­dell an ei­ni­gen Stel­len ge­än­dert hatte. So wer­den mehr Kurz­zeit-Ta­ri­fe für Fah­rer aus dem Aus­land an­ge­bo­ten. Die Maut gilt als Pres­ti­ge­pro­jekt der CSU. Dobrindt, der laut Leicht­fried im Vor­feld über die Klage aus Wien in­for­miert wurde, wies Vor­wür­fe Ös­ter­reichs mehr­fach als "Ösi-Maut-Mau­le­rei" zu­rück.

Maut als Streit­punkt bei Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen mög­lich

Das Thema Maut könn­te aber auch in­ner­halb Deutsch­lands noch zu einem Streit­punkt bei Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen wer­den. Die Grü­nen und die FDP sind da­ge­gen, die Lin­ken und die AfD eben­so. Die SPD will die Lkw-Maut nicht auf Fahr­zeu­ge unter 7,5 Ton­nen aus­deh­nen, da dies vor allem Hand­werks­be­trie­be be­las­ten würde. Bun­des­kanz­le­rin und CDU-Che­fin An­ge­la Mer­kel be­kennt sich zur Ein­füh­rung der Maut und sagt, kein deut­scher Au­to­fah­rer werde mehr be­las­tet.

Tsche­chi­en schlie­ßt sich Klage nicht an

Das von Ös­ter­reich an­ge­streb­te Ver­fah­ren vor dem EuGH dau­ert im Schnitt rund ein­ein­halb Jahre. Auch die Nie­der­lan­de und Tsche­chi­en hat­ten be­reits gro­ßen Unmut über die Pläne Ber­lins ge­äu­ßert. Tsche­chi­en hat nun aber ent­schie­den, sich der Klage nicht an­zu­schlie­ßen, wie ein Spre­cher des Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums in Prag am 12.10.2017 der Deut­schen Pres­se-Agen­tur sagte. Man werde die Si­tua­ti­on be­ob­ach­ten und prü­fen, wel­che wei­te­ren Schrit­te un­ter­nom­men wer­den könn­ten.

1,8 Mil­lio­nen ös­ter­rei­chi­sche Pend­ler wären be­trof­fen

Schät­zun­gen zu­fol­ge wären in Ös­ter­reich 1,8 Mil­lio­nen Pend­ler von der deut­schen Maut be­trof­fen. Viele Ös­ter­rei­cher in grenz­na­hen Ge­bie­ten nut­zen täg­lich die deut­sche Au­to­bahn als schnells­te Ver­bin­dung zwi­schen den Gro­ßräu­men Inns­bruck und Salz­burg. Eine durch­ge­hen­de in­ner­ös­ter­rei­chi­sche Au­to­bahn­ver­bin­dung zwi­schen Salz­burg und Tirol gibt es nicht.

Auch Tsche­chi­en er­hebt Pkw-Maut

Der tsche­chi­sche Mi­nis­ter­prä­si­dent Bo­hus­lav Sobot­ka von den So­zi­al­de­mo­kra­ten (CSSD) hatte die deut­sche Maut­re­ge­lung als "nicht ganz fair" kri­ti­siert. Zu­gleich warn­ten Po­li­ti­ker ver­schie­de­ner Lager vor einer Ver­schlech­te­rung der Be­zie­hun­gen zu Deutsch­land, dem mit Ab­stand wich­tigs­ten Han­dels­part­ner des In­dus­trie­lan­des. In Tsche­chi­en gibt es auf Au­to­bah­nen eine Pkw-Maut auf Vi­gnet­ten­ba­sis.

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2017 (dpa).

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